Steuerdebatte zwischen Union und SPD Soli nur noch für Besserverdiener - oder ganz abschaffen?

Die Diskussion um den Solidaritätszuschlag ist neu entflammt: Union und FDP fordern, den Zuschlag auch für Besserverdiener abzuschaffen - SPD-Finanzminister Scholz will nur mittlere Einkommen entlasten. Die Details.
Olaf Scholz

Olaf Scholz

Foto: CLEMENS BILAN/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Was wird aus dem Solidaritätszuschlag? Diese Frage könnte zu einer der entscheidenden wirtschaftspolitischen Debatten des neuen Jahres werden. Die Fronten verlaufen mitten durch die Regierungskoalition.

Die CDU hat bereits auf ihrem Parteitag im Dezember beschlossen, den Solidaritätszuschlag noch in dieser Legislaturperiode - also bis 2021 - vollständig abzuschaffen - und lässt auch im neuen Jahr nicht locker.

Die jüngste Wortmeldung kommt von Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der am Wochenende an die SPD appellierte, für ein rasches Ende des Soli zu sorgen. "Ich bin dafür, den Soli bis zum Ende der Wahlperiode komplett abzuschaffen - und erwarte, dass sich die SPD an dieser Stelle bewegt", sagte Kretschmer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Steuerentlastung für die Leistungsträger in der Gesellschaft sei dringend geboten.

De facto ein Zuschlag für Besserverdiener

Der Solidaritätszuschlag war 1991 eingeführt worden, um Mehrbelastungen im Haushalt zu stemmen und wird seit 1995 dauerhaft erhoben. Es geht um einen Aufschlag von 5,5 Prozent auf die zu zahlende Einkommensteuer. 2017 brachte das dem Staat knapp 18 Milliarden Euro ein. Fast 14 Milliarden wurden laut Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von den einkommensstärksten 20 Prozent der Bevölkerung bezahlt. Der Soli ist de facto ein Zuschlag für Besserverdiener.

Die Abgabe, die bei ihrer Einführung mit den Kosten der deutschen Einheit begründet wurde, wird deshalb seit Jahren kritisiert. So nah an der Abschaffung war die Politik aber wohl noch nie - und das liegt vor allem an der neuen Entschlossenheit der Union.

Getrieben werden CDU und CSU auch von der oppositionellen FDP. Deren Chef, Christian Lindner, machte beim Dreikönigstreffen seiner Partei erneut Druck auf CDU und CSU: Die Union habe eine völlige Abschaffung des Soli zwar angekündigt. Aber während sich die CDU bei den Jamaika-Sondierungen mit FDP und Grünen hinter Zahlen versteckt habe, verstecke sie sich jetzt hinter der SPD, kritisierte Lindner.

Tatsächlich bewegt sich die SPD bisher nicht. Sie will an dem festhalten, was sie im Koalitionsvertrag mit CDU und CSU vereinbart hat: eine Abschaffung des Soli für 90 Prozent der bisherigen Zahler - aber eben nicht für die oberen zehn Prozent. Darauf pocht auch SPD-Finanzminister Olaf Scholz: "In den Koalitionsverhandlungen haben wir aus guten Gründen vereinbart, dass Bürgerinnen und Bürger mit einem sehr hohen Einkommen weiter den Soli bezahlen sollen", sagte Scholz der "Bild am Sonntag". Er gehe "davon aus, dass sich unsere Koalitionspartner an die Vereinbarung halten".

Wer von einer Soli-Abschaffung profitiert

Die bisherigen Pläne aus dem Koalitionsvertrag sehen eine Freigrenze vor. Wer mit seinem Einkommen darunterliegt, muss den Soli künftig nicht mehr abführen. Wer mehr verdient, zahlt weiter. Singles würden bis zu einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 61.000 Euro komplett vom Soli befreit, bis 76.000 Euro gäbe es zumindest eine teilweise Entlastung. Alle, die darüber liegen, müssten so viel Soli zahlen wie bisher. Für Verheiratete liegen die Grenzen demnach doppelt so hoch. Wenn man noch alle Freibeträge hinzurechnet, dürfte ein Ehepaar mit zwei Kindern künftig ungefähr 150.000 Euro verdienen, ohne einen Zuschlag zu zahlen.

Mit dem Einkommensteuerrechner des IW Köln können Sie selbst prüfen, ob Sie nach den ursprünglichen Plänen der Koalition demnächst noch Soli zahlen müssten. Wählen Sie dazu das Szenario "ohne Soli (für 90%)" aus. Das Szenario "ohne Soli" zeigt dagegen die Steuerbelastung bei einer Komplettabschaffung, wie sie die Union fordert.

Der Rechner zeigt bereits, dass nur hohe Einkommen von der Komplettabschaffung des Soli profitieren würden - dabei sind Topverdiener in der Berechnung noch nicht einmal erfasst, weil es schlicht an Daten für diese Verdienstklassen mangelt. Der Rechner funktioniert deshalb nur für Bruttogehälter bis zu 200.000 Euro.

Doch auch wer darüber liegt, würde von einer Komplettabschaffung profitieren. Wer etwa eine Million Euro im Jahr verdiene, müsste laut Finanzminister Scholz 24.000 Euro weniger Steuern zahlen. "Selbst ich als Bundesminister mit 180.000 Euro Jahreseinkommen würde durch die Komplettabschaffung etwa 3600 Euro Steuern pro Jahr sparen", sagte Scholz. "Das ist nicht der richtige Weg."

Einige Ökonomen zweifeln sogar an der geplanten Teilabschaffung des Soli. Sie argumentieren, dass selbst Scholz' Pläne eher die obere Mittelschicht entlasten würden, keinesfalls aber Geringverdiener. Denn die zahlen auch bisher keinen Soli.

Am Ende lässt sich der Streit zwischen SPD und Union also auf eine einfache Frage runterbrechen: Will man nur die Mittelschicht ein bisschen entlasten (SPD), oder die Mittelschicht ein bisschen und die Oberschicht deutlich mehr (CDU). Die Bezieher niedriger Einkommen sind nicht betroffen.

Mit Material von dpa und AFP
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