Sozialer Abstieg Jedem fünften Ostdeutschen droht Armut

Obdachloser: Wer weniger verdient als 801 Euro, gilt als armutsgefährdet
Foto: Arno Burgi/ picture alliance / dpaWiesbaden - Wirtschaftlich ist Deutschland noch immer ein geteiltes Land: Im Osten sind nach wie vor deutlich mehr Menschen von gefährdet als in den alten Bundesländern. Knapp jedem Fünften droht in den neuen Bundesländern und Berlin der soziale Abstieg, wie das Statistische Bundesamt mitteilte; die genau Zahl: 19,5 Prozent. Im Westen lag der Anteil lediglich bei 13 Prozent.
Anders sieht es allerdings bei Menschen im Rentenalter aus. Bei ihnen ist das Armutsrisiko im Westen höher: 13 Prozent der Westdeutschen über 65-Jährigen und 10 Prozent der Ostdeutschen stehen statistisch an der Schwelle zur Armut. Das geringere Armutsrisiko der Ost-Rentner dürfte auf die längere Erwerbstätigkeit in DDR-Zeiten und die damit verbundenen höheren Renten zurückzuführen sein.
Insgesamt ist das Armutsrisiko aber in ganz Deutschland gestiegen - allerdings nur leicht, nämlich um 0,2 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Rund 14,6 Prozent aller Bundesbürger zwischen Flensburg und Füssen galten 2009 als armutsgefährdet.
Armutsgefährdet ist nach der Definition der Europäischen Union, wer von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung lebt. Das sind für einen Alleinstehenden 801 Euro und für eine Familie mit zwei Kindern 1683 Euro, wie die Statistiker errechnet haben.
Im Süden sind die wenigsten Menschen von Armut bedroht
Am geringsten ist die Gefahr, arm zu werden, in Bayern und Baden-Württemberg (je elf Prozent). Auch Hessen (zwölf Prozent) lag noch unter dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt galt dagegen mehr als jeder Fünfte als armutsgefährdet, in Bremen genau jeder Fünfte.
Besonders gefährdet sind den Statistikern zufolge Alleinerziehende und ihre Kinder sowie Arbeitslose. Gut jeder zweite Arbeitslose (54 Prozent) war 2009 armutsgefährdet. Auch hier gibt es große regionale Unterschiede. Innerhalb der Risikogruppe der Erwerbslosen war Sachsen-Anhalt besonders stark betroffen: 70 Prozent der Menschen ohne Job stehen in diesem Bundesland an der Grenze zur Armut. Baden-Württemberg und Bayern kommen dagegen mit gut 40 Prozent erneut am besten weg.
Das Ost-West-Gefälle macht sich besonders bei den Alleinerziehenden bemerkbar. Bundesweit gelten 40 Prozent als besonders armutsgefährdet.Während in Hessen und Baden-Württemberg rund jeder Dritte von ihnen von Armut bedroht ist, ist es im Osten (außer Berlin und Brandenburg) mehr als jeder zweite.
Der Sozialverband VdK warnte, die wachsende Armut werde in den kommenden Jahrzehnten zu einem sozialen Sprengsatz, wenn die Politik nicht gegensteuere. Verbandschefin Ulrike Mascher forderte die Bundesregierung auf, Teile des Sparpakets und der Gesundheitsreform zu stoppen.
Beschlüsse wie die Abschaffung des Rentenversicherungsbeitrages für Arbeitslosengeld-II-Empfänger und die Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger, aber auch die steigenden Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen träfen die sozial Schwachen besonders hart. Die Streichung des Elterngeldes für Arbeitslosengeld-II-Empfänger erhöhe zudem das Armutsrisik von Alleinerziehenden, sagte Mascher.