Sozialstudie Jeder fünfte junge Erwachsene ist von Armut bedroht

Obdachloser in Berlin: Anteil armer Jugendlicher in Städten höher
Foto: Arno Burgi/ picture alliance / dpaBerlin - Rund 13 Millionen Menschen von 14 bis 27 Jahren leben in Deutschland und etwa jeder fünfte von ihnen ist nach einer statistischen Auswertung trotz staatlicher Hilfen von Armut bedroht - insgesamt also 2,6 Millionen. Das geht aus dem neuen "Sozialmonitor Jugendarmut" der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (KJS) hervor. "Wir diskutieren viel über Kinderarmut und Altersarmut. Aber die entscheidende Phase der Jugend, in der die Weichen gestellt werden, ist bisher kaum im Blick", kritisierte der Vorsitzende, Simon Rapp.
Für die Auswertung hat die Arbeitsgemeinschaft bestehende Statistiken auf die Altersgruppe der jungen Erwachsenen heruntergebrochen - darunter Zahlen des Statistischen Bundesamts und des Deutschen Jugendinstituts. In dieser Zusammenschau sei die Übersicht neu, sagte Rapp.
Nach der in der EU gängigen Definition gelten Menschen als armutsgefährdet, wenn sie in einem Haushalt leben, dessen Einkommen weniger als 60 Prozent des landesweiten Durchschnitts beträgt. Darüber hinaus gehörten auch emotionale, soziale und kulturelle Armut zu den Auswirkungen. Als Gründe für Jugendarmut nennt Rapp vor allem fehlende Schulabschlüsse oder Ausbildungen und Billigjobs ohne Perspektiven.
Kritik an staatlichen Sanktionen
Schätzungsweise 80.000 junge Leute befinden sich laut der Untersuchung in einer besonders prekären Situation. Sie hätten den Anschluss an Schule, Arbeitswelt und Sozialsysteme völlig verloren und lebten von finanzieller Hilfe ihrer Familien, Partner oder Freunde oder seien in Schwarzarbeit und Kriminalität abgedriftet.
Allgemein ist die Jugendarmut ein städtisches Phänomen. Die höchsten Quoten gibt es laut der Analyse in Bremerhaven (22,1 Prozent), Gelsenkirchen (21,8 Prozent) und Berlin (rund 21 Prozent) - allesamt wirtschaftlich schwache Kommunen. Den niedrigsten Landeswert hat Bayern mit 3,8 Prozent. Doch auch dort stechen Städte wie Nürnberg mit Quoten um elf Prozent hervor.
Kritik übte Rapp an den drastischen Sanktionen gegenüber den jungen Erwachsenen: Bis zu einem Alter von 25 Jahren werden ihnen alle staatlichen Leistungen sofort gestrichen, wenn sie gegen Auflagen wie eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen verstießen. "Das ist für uns einer der großen Skandale der Sozialgesetzgebung." Besser sei eine stufenweise Kürzung - und ein erfahrener Blick dafür, welche Hilfen ein Jugendlicher brauche, um auf die eigene Beine zu kommen.
Auch die restriktive Wohngeld-Vergabe sei kontraproduktiv - dadurch werde der Wechsel in ein anderes Umfeld erschwert. Wenn ein junger Erwachsener aber in einer Hartz-IV-Familie lebe und dort auch noch Lieblosigkeit oder Gewalt erlebe, müsste er ausziehen, um eine Zukunftschance zu bekommen.