Banken- und Schuldenkrise Spaniens Tag der Wahrheit

Demonstration in Malaga: 23 Milliarden muss der Staat in die marode Bankia stecken
Foto: JON NAZCA/ REUTERSMadrid - Die Lage in Spanien ist beunruhigend - umso größer ist das Bedürfnis nach Klarheit. Nun sollen wichtige Marktdaten endlich auf den Tisch kommen. Der Tag der Wahrheit, an dem sich entscheidet, wie stark die Euro-Länder ihre viertgrößte Volkswirtschaft stützen müssen, rückt näher.
Am Donnerstagvormittag muss sich Spanien einem neuen Markttest stellen. Rund zwei Milliarden Euro will sich die Regierung am Kapitalmarkt leihen. Die Bonds haben eine Laufzeit von bis zu fünf Jahren. Anleger sind besorgt, dass die Risikoprämien für die Staatsanleihen erneut steigen, manche Anleger erwarten so hohe Zinsen wie seit eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr. Immerhin erwarten sie, dass das Land die verhältnismäßig geringe Menge an Anleihen ohne Probleme los wird. Bereits am Dienstag musste sich das Land Geld zu Rekordrenditen borgen. Der Euro verlor am Morgen bereits einen halben Cent an Wert.
Am Nachmittag soll der Prüfbericht zur Lage der spanischen Banken veröffentlicht werden, den die Beratungsunternehmen Roland Berger und Oliver Wyman ausarbeiten. Anleger erhoffen sich Klarheit darüber, wie viele Milliarden die spanische Regierung braucht, um den maroden Finanzsektor zu stützen.
Spaniens Banken haben sich während eines jahrelangen Immobilienbooms mit Hypotheken verspekuliert. Zahlreiche Hauseigentümer können ihre Kredite nicht mehr zahlen, und da die Arbeitslosigkeit steigt, geraten zusehends auch Menschen aus der Mittelschicht in Zahlungsschwierigkeiten.
Zinsen steigen bedenklich
Die Banken sitzen also auf einem wachsenden Berg fauler Kredite. Doch wie viel Geld der Staat zuschießen muss, ist unklar. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt den akuten Bedarf auf 40 Milliarden Euro und den Bedarf für eine umfassendere Rettung auf 80 Milliarden Euro. Die Troika aus IWF, EU-Ländern und EU-Kommission ist bereit, bis zu 100 Milliarden Euro zu zahlen. Die spanische Notenbank hatte die Zahl der in Verzug geratenen Kredite Anfang der Woche gar auf 150 Milliarden Euro beziffert - wobei nicht gesagt ist, dass all diese Kredite komplett ausfallen.
Am Donnerstagabend könnte die spanische Regierung womöglich ihren offiziellen Antrag auf Hilfen der Troika stellen. Die Finanzminister der Euro-Länder tagen dann in Luxemburg. Offizielle Angaben dazu gibt es bis dato nicht.
Marktteilnehmer erhoffen sich von den Entwicklungen des Tages mehr Klarheit über die Lage des Landes - und hoffen auf möglichst rasche Angaben der Troika, wie die Hilfen für Spanien konkret ausgestaltet werden. Die Risikoprämien für spanische Staatsanleihen waren nicht zuletzt wegen fehlender Informationen auf bedenkliche Werte gestiegen. Zu Wochenbeginn musste der Staat Anlegern bis zu 7,3 Prozent Rendite bieten, um sich Geld für zehn Jahre zu leihen. Finanzminister Cristóbal Montoro bezeichnete dieses Niveau als "auf Dauer nicht tragbar". Im Klartext: Bleiben die Renditen über Monate derart hoch, kann es sich die Regierung kaum noch leisten, die Staatsgeschäfte zu finanzieren.
288 Milliarden Euro Finanzbedarf
Entsprechend schwebt an diesem Donnerstag noch eine andere ungeklärte Frage im Raum: Reicht die Hilfe für Spaniens Banken - oder braucht die Regierung in Madrid bald ebenfalls Geld?
Bisher sind noch bei jedem Land, das auf Troika-Hilfen zugriff, die Risikoprämien für Staatsanleihen weiter gestiegen. Bei Portugal, Irland und Griechenland liegen sie seit den Rettungsanträgen in Bereichen, in denen es für Staaten fast unbezahlbar wäre, selbst Schulden aufzunehmen. Entsprechend erhalten diese Länder frisches Geld fast ausschließlich von der Troika - abgesehen von geringen Mengen an Anleihen mit wenigen Wochen Laufzeit, die sie noch selber begehen.
Wäre dies bei Spanien ebenfalls der Fall, hätte die Euro-Zone ein gewaltiges Problem. Bis Ende 2014 braucht das Land rund 288 Milliarden Euro. Die Rettungsschirme würden nicht ausreichen, das Land längere Zeit fast komplett vom Kapitalmarkt zu nehmen.
Ob die Märkte allerdings zwischen Bankenrettung und Staatsrettung differenzieren ist nicht gesagt - auch angesichts der Tatsache, dass das Land in der Rezession steckt und Arbeitslosigkeit und Staatsschulden rasch steigen. Premier Mariano Rajoy und sein Finanzminister Montoro bemühen sich jedenfalls nach Kräften, den Unterschied zu den anderen Krisenländern immer wieder zu betonen.