
ERT: Radikalkürzung bei griechischem Sender
Sparkurs Griechenland schaltet staatlichen Rundfunk ab
"Das letzte Signal wird um Mitternacht ausgestrahlt" - das sagte ein Sprecher der griechischen Regierung. Das bedeutet: Griechenland wird seine staatliche Rundfunkanstalt ERT, Fernsehen und Hörfunk, abschalten. Der Rundfunk soll "so schnell wie möglich" wieder geöffnet werden, hieß es weiter. Die rund 2900 Beschäftigten würden entlassen, sagte der Sprecher. Wer wieder eingestellt werden wolle, müsse sich neu bewerben. "Es gibt keine heiligen Kühe, wenn alle Griechen Opfer bringen müssen."
Am Dienstagabend ist dann eine TV-Sendezentrale nach der anderen stillgelegt worden. Auch die Radiostationen konnten nicht mehr empfangen werden. Etwa eine Stunde vor Mitternacht wurde in Athen nur noch auf einer Frequenz des staatlichen Fernsehens gesendet. Auch der letzte Mittelwellensender auf der Traditionsfrequenz 729 Kilohertz in Athen verstummte.
Hoher Druck der internationalen Geldgeber
Der Grund für die Entscheidung dürfte der hohe Druck sein, den die internationalen Geldgeber auf die Regierung in Athen ausüben. Die Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) ist derzeit vor Ort, um das griechische Sparprogramm zu kontrollieren. So sollen planmäßig noch in diesem Jahr 4000 Staatsbedienstete entlassen werden, die Regierung aber bittet um mehr Zeit. Eine Möglichkeit, das Ziel schneller zu erreichen, ist die Schließung des staatlichen Rundfunks.
Der Sender sei ein außerordentliches Beispiel für "fehlende Transparenz" und "unglaubliche Ausgaben". "Das wird nun ein Ende haben", sagte der Regierungssprecher.
Für die griechische Medienlandschaft ist die Schließung ein herber Schlag: Angestellte des staatlichen Fernsehens sagten, sie seien schockiert. Eine ERT-Reporterin äußerte sich umgehend in einer Nachrichtensendung: "Wir sind entschlossen, ERT offen zu halten, wir bitten die Menschen in Griechenland um Hilfe für unseren Kampf." Noch am Dienstagabend wollten die ERT-Beschäftigten das Zentralgebäude in der Athener Vorstadt Agia Paraskevi besetzen. Augenzeugen berichteten, Dutzende Journalisten und Angestellte seien zu Protesten zum Rundfunkgebäude in Athen geströmt. Vor ERT-Büros im ganzen Land zog Bereitschaftspolizei auf, um die Abschaltung zu gewährleisten.
Potential für eine Regierungskrise
Insgesamt könnten rund 2900 Techniker, Angestellte und Journalisten ihre Arbeit verlieren. Der Plan sieht vor, die Anstalt komplett zu schließen und in den nächsten Monaten einen neuen Arbeitsplan für ein kleines, kompaktes staatliches Fernsehen und Radio mit deutlich weniger Mitarbeitern auszuarbeiten. Manche befürchten, dass nur ein Viertel der ursprünglichen Belegschaft übrig bleiben wird.
Die Entscheidung, den Staatsrundfunk zu schließen, ist Regierungskreisen zufolge direkt vom Ministerpräsidenten Antonis Samaras gefällt worden - und sie hat das Potential, eine regelrechte Regierungskrise auszulösen.
Denn die Neuorganisation des staatlichen Rundfunks ist ein großer Streitpunkt in der Drei-Parteien-Koalition: Die mitregierende Partei der Sozialisten (Pasok) kritisierte die Pläne, die Sender zu schließen. Radio und Fernsehen müssten zwar modernisiert werden, dies könne aber nicht überraschend und über die Köpfe der Beschäftigten hinweg stattfinden, hieß es in einer Erklärung der Partei. Auch vom kleineren Koalitionspartner, der Demokratischen Linken (Dimar), kam Kritik: "Es ist undenkbar, dass ein modernes europäisches Land auch nur eine Stunde ohne öffentlichen Rundfunk bleibe", hieß es. Beide Parteien haben die Rechtsverordnung, die die ERT-Schließung ermöglicht, nicht unterzeichnet. Griechischen Medien zufolge soll Premier Samaras auf die heftige Kritik mit einer Drohung geantwortet haben: "Wenn sie wegen ERT die Regierung zu Fall bringen wollen, dann sollen sie das mal tun."
ERT gilt als verschwenderisch und überbesetzt
Angeblich sollen drei staatliche landesweit ausgestrahlte Fernsehprogramme geschlossen werden, sieben landesweit ausgestrahlte Radioprogramme sowie 19 regionale Radiosender. Damit ginge eine 75-jährige Ära in der griechischen Medienlandschaft zu Ende. Das erste staatliche Rundfunkprogramm war im Jahr 1938 ausgestrahlt worden.
Einem ERT-Reporter zufolge, der seinen Namen nicht nennen wollte, sind der Rundfunk und seine Angestellten ein leichtes Ziel: Der staatliche Rundfunk sei als verschwenderisch und überbesetzt verschrien. ERT hat ein jährliches Budget von 205 Millionen Euro - griechische Haushalte zahlen rund 50 Euro Rundfunkgebühr pro Jahr. Während der Abschaltung werden die Gebühren der Regierung zufolge ausgesetzt - hinterher sollen sie deutlich niedriger sein.
Mit Material von dpa