Sparprogramme der Regierungen Europas 870-Milliarden-Euro-Schrumpfkur

Europäische Staats- und Regierungschefs: Keine Alternative zum Sparen
Foto: YVES HERMAN/ REUTERSHamburg - Der Satz klang sperrig, hatte es aber in sich. "Der Zeitpunkt und die Geschwindigkeit der Haushaltskonsolidierung in jedem Land müssen zu den Bedürfnissen der Weltwirtschaft passen", schrieb US-Präsident Barack Obama im Vorfeld des G-20-Gipfels fein säuberlich an seine Kollegen in den wichtigsten Machtzentralen der Welt.
Hinter der lapidaren Feststellung steckt die große Sorge der US-Regierung, dass sich die Weltwirtschaft noch immer nicht so richtig von ihrem dramatischen Einbruch im vergangenen Jahr erholt hat. Die Botschaft aus Washington lautet deshalb: Es wäre besser, liebe Europäer, ihr würdet noch ein bisschen länger auf Pump leben und damit die Nachfrage ankurbeln, als übereifrig zu sparen.
Freundlich, aber bestimmt, war allerdings die Antwort aus Europa: Nicht nur die deutsche Kanzlerin ließ den netten Herrn Obama mit der Warnung vor einem "aufgeblähten Wachstum" abblitzen.
Dass die Europäer den amerikanischen Traum von "Immer mehr Schulden" so strikt ablehnen, hat viel mit den vergangenen Monaten zu tun. Die Fast-Pleite Griechenlands und die Probleme der zahlreichen Wackelkandidaten wie Spanien haben den Kontinent mehr als einmal an den finanziellen Abgrund gebracht - und die Gemeinschaftswährung in ihrer Existenz bedroht.
Eindeutige Vorgabe des Stabilitätspakts
Und noch immer ist die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Euro-Zone nicht gebannt. Um den Finanzmärkten zu signalisieren, dass sie es ernst meinen, haben fast alle Regierungen nun radikale Programme zur Haushaltskonsolidierung verabschiedet.
Wie gigantisch die Aufgabe ist, zeigt sich allein an der Nettokreditaufnahme 2010: Die 27 EU-Staaten müssen sich nach Berechnungen der EU-Kommission nochmals mit fast 870 Milliarden Euro verschulden. Zusätzlich zu den 8,7 Billionen Euro, die sie an Verbindlichkeiten bereits angehäuft haben.
Der Großteil der Neuverschuldung wird mit rund 600 Milliarden Euro auf die 16 Mitgliedsländer der Euro-Zone entfallen. Die in absoluten Beträgen größten Kreditsünder sind dabei Frankreich (156 Milliarden Euro), Deutschland (121 Milliarden Euro), Spanien (103 Milliarden Euro) und Italien (80 Milliarden Euro). Kein Land in Europa wird aber so viele zusätzliche Kredite aufnehmen wie Großbritannien - im Extremfall bis zu 200 Milliarden Euro.
Dabei ist die Vorgabe des EU-Stabilitätspakts eigentlich eindeutig (siehe Kasten in der linken Spalte) - und sie gilt für alle Länder der Gemeinschaft: Der Maastricht-Vertrag begrenzt die Neuverschuldung auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Um zumindest wieder dieses nicht gerade harte Kriterium zu erfüllen, müssten die Euro-Länder ihre Defizite insgesamt um weit mehr als 300 Milliarden Euro halbieren. Wollten sie sogar das seit Jahrzehnten praktizierte Leben auf Pump beenden, wäre die doppelte Sparsumme erforderlich.
Was aber planen die größten Staaten des Kontinents konkret? Und sind die Rosskuren der Regierungen überhaupt seriös? SPIEGEL ONLINE vergleicht die Sparpakete von Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien (die Länder vereinen fast 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Euro-Zone auf sich) und von Großbritannien, dem bedeutendsten EU-Mitglied ohne die Gemeinschaftswährung.