Debatte über Entlastungen Vizekanzler will Geringverdiener gezielt unterstützen

Ein drittes Entlastungspaket soll kommen, doch wie soll es aussehen? Vizekanzler Habeck plädiert dafür, bestimmten Gruppen direkt zu helfen – und verpackt seine Kritik an Finanzminister Lindner.
Robert Habeck: Wer soll in den kommenden Monaten entlastet werden?

Robert Habeck: Wer soll in den kommenden Monaten entlastet werden?

Foto: Kay Nietfeld / dpa

Tankrabatt, 9-Euro-Ticket, Kinderbonus, Heizkostenzuschuss für Wohngeldbezieher, Energiepauschale für Erwerbstätige: Die Regierung hat bereits eine Reihe von Maßnahmen aufgelegt, um Bürger bei den steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten zu entlasten.

Nun soll ein weiteres Entlastungspaket kommen. Aus Sicht von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck soll der Schwerpunkt auf der Unterstützung von Geringverdienern liegen. Für ihn sei der stärkste Grund für Entlastungen, »dass wir den demokratischen Grundkonsens halten müssen, indem wir einen sozialen Ausgleich schaffen«, sagte Habeck am Montag im ZDF-»Morgenmagazin«.

Die hohen Kosten für Gas kämen auf alle zu. »Und das heißt für mich, dass diejenigen, die weniger verdienen, stärker unterstützt werden als diejenigen, die viel verdienen.«

Kritik an Lindner nur indirekt

Finanzminister Christian Lindner hatte zuletzt spezielle Hilfen für Rentnerinnen und Rentner abgelehnt und auf die in diesem Jahr erfolgte Rentenerhöhung verwiesen. Bedürftige Rentnerinnen und Rentner hätten wie alle in der Grundsicherung eine Sonderzahlung erhalten, zudem gebe es beim Wohngeld einen Heizkostenzuschuss. Auch profitierten Rentner von der Abschaffung der EEG-Umlage auf die Stromrechnung.

Lindner nannte einen Inflationsausgleich gegen die kalte Steuerprogression als eine seiner Prioritäten. Habeck sagte, verschiedene Entlastungen hätten ihre jeweiligen Gründe, so auch der von Lindner vorgeschlagene steuerliche Ausgleich für die Inflation. Aber nicht alle Maßnahmen seien in der derzeitigen Lage gleichermaßen wichtig, fügte der Grünenpolitiker hinzu.

Unternehmen wollen weitere Entlastungen

Innerhalb der Ampelkoalition gibt es abweichende Vorstellungen über den Inhalt des geplanten dritten Entlastungspakets. Bundeskanzler Olaf Scholz hat ein neues Maßnahmenbündel für die kommenden Wochen in Aussicht gestellt. Wie es genau aussehe, werde »vertrauensvoll in der Regierung« besprochen, sagte er vergangene Woche.

Der sozialpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Stracke, warnte in der »Rheinischen Post« vor einer Spaltung der Gesellschaft. Er mahnte rasche Hilfen insbesondere auch für Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende an.

Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei. Der CDU-Politiker sagte im Deutschlandfunk, es komme nun darauf an, ein »kluges Paket« zu schnüren. »Und dazu gehört, dass man zum einen die in den Blick nimmt, die ganz besonders unter den stark gestiegenen Energiepreisen leiden.« Es gehe unter anderem darum, den Kreis der Wohngeldempfänger etwas weiter zu fassen sowie das Wohngeld an die Energiekosten zu koppeln und »jährlich zu dynamisieren«.

Grünenfraktionschefin Katharina Dröge verwies auf Studierende und Rentner mit kleinen Renten. Die Ampel diskutiere über die genauen Instrumente und die Finanzierung, sagte sie in der »Rheinischen Post«. »Wir müssen dabei sehr zielgenau diejenigen entlasten, die von den steigenden Preisen besonders getroffen werden und dem Winter mit großer Sorge entgegenblicken.«

Auch die Wirtschaftslobby drängt auf eine Entlastung. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Peter Adrian, sagte, die von der Bundesregierung angekündigte Mehrwertsteuersenkung auf Erdgas sei für die Unternehmen in der Regel wirkungslos. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie hatte kritisiert, die Entlastung durch die niedrigere Mehrwertsteuer gehe an den Unternehmen vorbei, denn Unternehmen zahlten keine Mehrwertsteuer.

DIHK-Präsident Adrian sagte, eine dauerhafte Senkung der Energiesteuer auf den Gasverbrauch der Betriebe auf das europäische Mindestniveau wäre eine einfache und schnell wirkende Entlastung. Das wichtige Preissignal für den effizienten Gasverbrauch würde dadurch angesichts der dramatischen Preissteigerungen der letzten Monate nicht beeinträchtigt. »Angesichts der stark gestiegenen Gaspreise haben aber insbesondere energieintensive Unternehmen ihre Einsparmöglichkeiten ohnehin bereits ausgeschöpft«, so Adrian. »Klar ist aber auch: Die Betriebe benötigen in den kommenden Monaten weiterhin hohe Gasmengen – vor allem auch für Prozesswärme und als Rohstoff in der Produktion.«

Die Bundesregierung will wegen der rapide gestiegenen Gaspreise für einen befristeten Zeitraum die Mehrwertsteuer auf Erdgas senken. Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent soll so lange gelten, wie die staatliche Gasumlage erhoben wird, also bis Ende März 2024. Mit der Gasumlage können Importeure ab Oktober wegen der starken Drosselung russischer Gaslieferungen Beschaffungskosten an die Verbraucher weitergeben.

Adrian sagte, die stark erhöhten Bezugskosten für Unternehmen resultierten nicht nur aus den hohen Marktpreisen. »Sie werden zusätzlich befeuert durch die neu eingeführten Umlagen auf Gasspeicher, Gasbeschaffung sowie die Anhebung der Regelenergieumlage.« In der Summe verteuere das den Gasverbrauch nochmals um 3,5 Cent pro Kilowattstunde. »Das bedroht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen im internationalen Umfeld – Produktionseinschränkungen drohen immer häufiger. Umso dringender brauchen die Betriebe jetzt schnelle Entlastungen.«

mmq/dpa
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