Steuern und Abgaben Deutschland ist Zahl-Vizeweltmeister
Die Belastung von Arbeitseinkommen durch Steuern und Sozialabgaben ist nur in einem Industrieland höher als in Deutschland. Das geht aus der neuesten Ausgabe der Studie "Taxing Wages" der Industrieländerorganisation OECD hervor, die am Dienstag vorgestellt wird und dem SPIEGEL vorab vorlag.
Demnach lag die Abgabenlast auf das Einkommen eines deutschen Durchschnittsverdieners 2016 bei 49,4 Prozent und damit weit über dem OECD-Schnitt von 36,0 Prozent. Nur in Belgien war die Belastung mit 54,0 Prozent noch höher. Der deutsche Wert blieb gegenüber 2015 zwar unverändert. Weil die Abgabenlast in Österreich jedoch im selben Zeitraum deutlich sank, rückte Deutschland vom dritten auf den zweiten Platz auf.
Im Jahr der Bundestagswahl dürfte die OECD-Statistik besonders viel Aufmerksamkeit erregen. Mehrere Parteien wollen mit dem Versprechen auf Steuerreformen um Wählerstimmen werben. So hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Entlastungen im Wert von 15 Milliarden Euro versprochen, von denen nach SPIEGEL-Informationen insbesondere mittlere Einkommen profitieren sollen. Die FDP verspricht sogar eine rund doppelt so hohe Summe.
Alle skandinavischen Länder schneiden besser ab
Zur Begründung reiner Steuersenkungen eignen sich die OECD-Zahlen jedoch nur begrenzt. Denn zum einen liegt Deutschlands schlechtes Abschneiden weniger an den Einkommensteuersätzen als an besonders hohen Sozialabgaben für Arbeitnehmer und -geber. Zum anderen spiegelt das Ranking nicht wider, was Bürger im Gegenzug für ihre Abgaben bekommen.
So liegen Länder wie Griechenland, die USA oder Mexiko zwar weit unter der deutschen Belastung. Dafür müssen sich Arbeitnehmer dort aber aufgrund von schwächeren Sozialsystemen auch stärker selbst absichern. Allerdings schneiden auch Staaten mit vergleichbaren Sozialleistungen besser ab als Deutschland - darunter alle skandinavischen Länder.
Die deutsche Abgabenlast lag bei allen untersuchten Haushaltstypen über dem OECD-Schnitt. Wie in fast allen Industrieländern werden aber auch in Deutschland Familien mit Kindern steuerlich gefördert. Deshalb konnte ein lediger Alleinverdiener im vergangenen Jahr nur 60,3 Prozent seines Bruttolohns behalten, ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem berufstätigen Elternteil dagegen 87,7 Prozent - der siebthöchste Unterschied aller OECD-Länder.
Die große Differenz liegt vor allem am Ehegattensplitting, von dem Familien mit nur einem Berufstätigen am meisten profitieren. Die OECD kritisiert schon länger, dass das Ehegattensplitting den Anreiz für die Erwerbstätigkeit von Frauen reduziert und fordert eine Abschaffung des Privilegs.