Behördendeutsch Jeder Zweite versteht seinen Steuerbescheid nicht

Die Worte sind deutsch, der Satzbau ist deutsch - und doch versteht fast jeder Zweite laut Umfrage seinen Steuerbescheid nicht. Denn die Finanzämter verfahren nach dem Motto: Rechtssicherheit geht vor Verständlichkeit.
Bundesfinanzminister Schäuble: Versteht er seinen Bescheid? Empirisch liegt die Chance bei 51 zu 45

Bundesfinanzminister Schäuble: Versteht er seinen Bescheid? Empirisch liegt die Chance bei 51 zu 45

Foto: JOHN THYS/ AFP

"Die Festsetzung der Einkommensteuer ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm vorläufig hinsichtlich a) der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben (Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22. Dezember 2005, BGB1. I S. 3682), b) der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur...."

Alles klar? Nein? Dann sind Sie nicht allein: Fast jeder zweite Deutsche versteht den eigenen Steuerbescheid nicht. Rund 45 Prozent der Bürger können mit der Post vom Finanzamt wenig oder fast gar nichts anfangen, wie eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens GfK im Auftrag der "Welt am Sonntag"  ergab. Und auch der Rest wird nicht bis ins letzte Detail schlau aus ihrem Bescheid: Weitere 40 Prozent geben an, ihn lediglich "größtenteils" zu verstehen.

Ob Ost oder West, Männer oder Frauen, Junge oder Alte: Stets sind es mehr als 40 Prozent, die die Ausführungen des Finanzamts überwiegend nicht verstehen. Am ehesten sind dazu der Umfrage zufolge noch die 50- bis 59-Jährigen in der Lage. Hier geben nahezu 60 Prozent an, die Behördenpost dechiffrieren zu können. Am geringsten ist diese Fähigkeit demnach bei den über 70-Jährigen mit nur knapp mehr als 40 Prozent ausgeprägt.

Den Grund für die seit Jahrzehnten beklagte Unverständlichkeit vieler Steuerbescheide sieht der Berufsverband der Finanzbeamten nicht im Unvermögen der Behörden, verständliches Deutsch zu formulieren. Das Problem sei dann aber die fehlende Rechtssicherheit - die Bescheide könnten also womöglich erfolgreich angefochten werden, obwohl sie im Grunde korrekt seien. "Das Finanzamt legt mehr Wert auf Akkuratesse denn auf Anschauung", sagt der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler.

Das Problem wird sich nach Einschätzung Eigenthalers künftig eher noch verschlimmern. "Die digitale Steuererklärung führt erst einmal dazu, dass alles noch komplizierter wird." Dann sollen Computer einen großen Teil der Steuererklärungen bearbeiten.

fdi/Reuters
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten