Schattenfinanzindex Briten sind Weltmeister der Steuervernebelung

Die Schweiz ist laut einem neuen Ranking die Steueroase Nummer eins, die USA holen schnell auf. Doch der weltweit größte Helfer von Steuertricksern sitzt in der EU - noch.
Finanzdistrikt in London

Finanzdistrikt in London

Foto: REUTERS/ Metropolitan Police

Panama Papers, Paradise Papers, Cum-Ex-Skandal - allein in den vergangenen anderthalb Jahren gerieten zahlreiche Politiker, Prominente, Konzerne und Großbanken in den Sog der großen Steuerskandale. Doch wer auf einen heilsamen Effekt gehofft hat, sieht sich getäuscht: Die staatliche Geheimniskrämerei, die Steuertricks, Geldwäsche und Finanzkriminalität entscheidend begünstigt, hat noch zugenommen. Das geht aus dem neuen Schattenfinanzindex  des Tax Justice Network (TJN) hervor, der dem SPIEGEL vorab vorlag.

Demnach ist die Schweiz nach wie vor Steuerparadies Nummer eins - und die Intransparenz hat dort seit dem Erscheinen des letzten "Financial Secrecy Index" (FSI) vor zwei Jahren zugelegt: Der Geheimhaltungs-Wert stieg von 73 auf 76 Punkte, der Schattenfinanzwert liegt bei knapp 1590 Punkten - acht Prozent mehr als 2015. Dieser FSI-Wert ist eine Kombination aus dem Geheimhaltungs-Wert des Landes und der globalen Gewichtung, die angibt, wie groß der Anteil des Staats an den globalen grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen ist.

Mit ihrem FSI-Wert von 1590 liegt die Schweiz deutlich vor den USA, deren Entwicklung die TJN-Experten für besonders besorgniserregend halten. 2013 lagen die Vereinigten Staaten noch auf Platz sechs des Rankings, 2015 auf Platz drei. Inzwischen sind sie für mehr als 22,3 Prozent der weltweiten Offshore-Finanzdienstleistungen verantwortlich, 2015 waren es noch 19,6 Prozent. Das Problem daran ist nicht nur die wirtschaftliche Größe der USA, sondern auch ihre Weigerung, am internationalen Informationsaustausch von Steuerdaten teilzunehmen.

And the winner is...

Auf Rang drei finden sich aktuell die winzigen Kaimaninseln - und das weist darauf hin, wer der größte Freund von Steuertricksern ist: das Vereinigte Königreich. Die Kaimaninseln haben gerade einmal 50.000 Bewohner, gehören aber mit einem Anteil von fast vier Prozent zu den Schwergewichten der globalen Finanzdienstleister. Selbst Deutschland - im Schattenfinanzindex auf Platz sieben - kommt nur auf einen Anteil von fünf Prozent. Neben den Kaimaninseln tauchen zehn weitere britische Überseegebiete und Kronbesitzungen im Index auf, davon allein drei unter den Top 20. Großbritannien selbst liegt auf Rang 23.

Die Überseegebiete sind offiziell nicht Teil Großbritanniens, unterstehen aber seiner Souveränität. Für die Kronbesitzungen Isle of Man, Guernsey und Jersey gilt Großbritanniens international als verantwortlich. Zusammengerechnet bietet das Inselreich mehr Offshore-Dienste an als die USA und ist damit Weltspitze.

Großbritannien profitiert nach Meinung der TJN-Aktivisten direkt von den Praktiken der Steueroasen: Dort werde "ein großer Teil der dreckigen Geschäfte abgewickelt", bevor das Geld die Londoner City erreiche. Zwar habe das britische Parlament versucht, in den Überseegebieten und Kronbesitzungen ein öffentliches Register der hinter Unternehmen stehenden Personen einzurichten, so wie es in Großbritannien selbst bereits existiert. Doch noch in diesem Jahr habe die Regierung das Vorhaben blockiert.

Brexit lässt britische Steuerparadiese bangen

Auch in Brüssel protegiert die Regierung von Premierministerin Theresa May die Steuerparadiese. So tauchten in einer frühen Version der schwarzen Steueroasen-Liste der EU gleich mehrere Überseeterritorien auf. In der finalen Version, die im Dezember 2017 veröffentlicht wurde, waren sie plötzlich alle verschwunden, wie es in einem Bericht  des britischen Oberhauses vom September 2017 heißt. Die Briten hatten offensichtlich ähnlich erfolgreich lobbyiert wie andere EU-Steueroasen, darunter Luxemburg, Malta oder die Niederlande.

Dergleichen könnte den Briten in Zukunft schwerer fallen - wegen des Brexits. Im Bericht des Oberhauses über die Folgen des EU-Austritts für die Überseegebiete warnt Victor Banks, Regierungschef von Anguilla, vor der Schwarze-Liste-Politik der EU - und fragt sich, "inwiefern Ex-Mitgliedstaaten und ihre Territorien eine unangemessene Klassifizierung durch die EU noch erfolgreich anfechten können".

Doch die Angst vor der EU dürfte sich in Anguilla und anderen Steuerparadiesen inzwischen wieder gelegt haben: Nach nur einem Monat hat die EU die Hälfte der 17 angeprangerten Staaten schon wieder von der schwarzen Liste gestrichen. Dazu reichte das bloße Versprechen, künftig strengere Regeln einzuführen.

Entsprechend düster fällt das Fazit der TJN-Experten aus: Die globale Lage habe sich trotz der Steuerskandale von 2016 und 2017 verschlechtert. Zwar lasse sich das neue Ranking nur eingeschränkt mit dem von 2015 vergleichen, weil man neue Faktoren wie Immobilienregister, Freihäfen oder sogenannte goldene Visa berücksichtigt habe. "Insgesamt sehen wir aber eine Verschlechterung um durchschnittlich fünf Prozent", sagt Markus Meinzer, Leiter des Autorenteams.

Sicher, es gebe vereinzelte Lichtblicke wie die neue EU-Geldwäscherichtlinie. Sie hatte etwa in Deutschland ein öffentliches Transparenzregister zur Folge, in dem seit Dezember 2017 nachzulesen ist, wer die tatsächlich Begünstigten von Unternehmen sind. "Doch auf internationaler Ebene", sagt Meinzer, "sehen wir nicht, dass es zu den notwendigen Reformen kommt."


Zusammengefasst: Das Tax Justice Network hat sein neues Steueroasen-Ranking veröffentlicht. Der Schattenfinanz-Index zeigt, dass die staatliche Geheimniskrämerei in den vergangenen zwei Jahren sogar noch zugenommen hat - trotz der großen Steuerskandale, die es in dieser Zeit gegeben hat.

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