Streit mit Gewerkschaften Wirtschaftsweiser warnt vor Mindestlöhnen

Mindestlöhne kosten Hunderttausende Jobs - so lautet die Rechnung des Ökonomen Wolfgang Franz. Er rät den Gewerkschaften zum Verzicht auf ihre Forderungen. DGB-Chef Sommer weist das als "Unsinn" zurück.
Demonstration für Mindestlohn: Widerstand gegen "Hungerlöhne"

Demonstration für Mindestlohn: Widerstand gegen "Hungerlöhne"

Foto: MARTIN MEISSNER/ AP

Wolfgang Franz

Berlin - Die Debatte über gesetzliche Mindestlöhne wird wieder schärfer: Der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, , riet den Gewerkschaften am Freitag, auf ihre Forderung zu verzichten. Der Chef der sogenannten Wirtschaftsweisen warnte, gesetzliche Mindestlöhne kosteten "mehrere hunderttausend Arbeitsplätze gerade im Bereich geringqualifizierter Arbeit".

Michael Sommer

Der DGB-Vorsitzende wies diese Argumentation als "Unsinn" zurück. Dem Gewerkschaftsboss zufolge schaffen gesetzliche Mindestlöhne "höhere Kaufkraft, größere soziale Sicherheit und mehr Unabhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen". All das spreche dafür, sie einzuführen. "Es kann kein Argument sein, dass man sagt: Wir können nur Hungerlöhne bezahlen, um Arbeit zu schaffen."

Franz warnte dagegen, mit gesetzlichen Mindestlöhnen in Höhe von 8,50 Euro - wie sie Ver.di-Chef Bsirkse zuletzt gefordert hatte - scheitere die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bei Geringqualifizierten. Das lehrten Erfahrungen anderer Länder wie etwa Frankreich.

Auch andere Wirtschaftsforscher vertreten diese Ansicht. Der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, Christoph M. Schmidt, sagte zwar: "Deutschland hat sicherlich keine Zukunft als Billiglohn-Standort." Man brauche aber auch "ein Niedriglohnsegment für jene Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer - aus welchen Gründen auch immer - geringen Qualifikation keine gutbezahlte Arbeit finden".

"Von diesem Weg sollte man nicht abweichen"

Schmidt fügte hinzu: "Mindestlöhne drohen, wenn sie zu hoch angesetzt sind, diese Menschen auf Dauer aus dem Arbeitsmarkt zu drängen." Besser seien hier Lösungen, bei denen man in einer Kombination aus dem zu erzielenden Markteinkommen und staatlicher Hilfe ein Auskommen sichere. Wichtig sei allerdings, "dass in einem solchen System Anreize bestehen bleiben, sich zu qualifizieren und mehr am Markt zu verdienen".

Der RWI-Präsident betonte, bei den Tarifabschlüssen der vergangenen Jahre habe es viele Flexibilisierungselemente gegeben. Dies habe zahlreichen Unternehmen in schlechten Zeiten das Überleben ermöglicht und zugleich die Arbeitsplätze sicherer gemacht. "Von diesem Weg sollte man nicht abweichen."

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann. Er sagte, die Gewerkschaften und Arbeitgeber hätten in den vergangenen Jahren durch innovative Konzepte für eine beschäftigungssichernde Tarifpolitik wichtige Beiträge für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland geleistet.

Dem DIW-Präsidenten zufolge wird sich Deutschland "auch in den kommenden Jahren angesichts des verschärften internationalen Wettbewerbs in der klassischen Lohnpolitik keine allzu großen Sprünge leisten können". Deshalb seien die Gewerkschaften "gut beraten, noch aktiver als bisher auch an Konzepten mitzuwirken, wie Arbeitnehmer besser durch Kapitalbeteiligung am Unternehmenserfolg partizipieren können".

Zuletzt waren sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Pflegebranche einig geworden: Sie beschlossen einen Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro in Ostdeutschland.

hut/ddp
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