Streit über Bankenunion Zombie-Banken bedrohen Europas Wohlstand

Demonstration in Madrid: Opfer der spanischen Kreditkrise
Foto: PIERRE-PHILIPPE MARCOU/ AFPHamburg - Seit 20 Jahren stagniert die Wirtschaft, die Schuldenquote ist die höchste der Welt, und die Einkommen der meisten Bürger sind über lange Zeit gesunken. Es sieht schlecht aus für Japan - so schlecht, dass der neue Premierminister Shinzo Abe seit Monaten versucht, mit einer riskanten Radikalkur aus Konjunkturprogrammen und billigem Geld gegenzusteuern. Mit mäßigem Erfolg - zuletzt spielten dank "Abenomics" vor allem die Aktienkurse verrückt.
Was das alles mit uns in Europa zu tun hat? Vielleicht mehr, als uns lieb ist. Denn Japans Misere begann vor gut 20 Jahren mit einem ähnlichen Problem, wie es derzeit die Euro-Zone plagt: einer Bankenkrise, die viel zu halbherzig bekämpft und nie richtig gelöst wurde. Statt faule Kredite abzuschreiben, wurden sie verlängert. Statt marode Institute entweder zu schließen oder mit frischem Kapital aufzupäppeln, wurden sie mit billigen Zentralbankkrediten gerade so am Leben erhalten - zu schwach, um die Wirtschaft ausreichend mit Geld zu versorgen.
In Europa ist die Situation heute verblüffend ähnlich: Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ist der Anteil der faulen Kredite in Ländern wie Spanien, Italien, Portugal oder Griechenland dramatisch gestiegen. In Italien etwa zählte die Notenbank laut aktuellen Daten im April gut 133 Milliarden Euro notleidende Darlehen in den Bankbilanzen, in Spanien sind es inzwischen rund 200 Milliarden Euro. Angesichts solcher Probleme knausern die Geldinstitute mit neuen Krediten an die Wirtschaft - vor allem kleine und mittelständische Unternehmen kommen kaum noch an frisches Geld.
Für viele Experten liegt hier der Grund für die anhaltende Rezession, die den Großteil der Euro-Zone lähmt. "Wer Wachstum haben will, braucht Banken, die das finanzieren", sagt Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. "Mit Zombie-Banken ist das nicht möglich." Fuest warnt deshalb vor einer "Japanisierung Europas".
Der Wirtschaftsprofessor fordert eine grundlegende Sanierung der Bankbilanzen. "Der richtige Weg wäre es, die Altlasten offenzulegen und die Banken zu restrukturieren", sagt Fuest. "Doch dazu fehlt derzeit der politische Wille."
Mehr Geld für die Banken ist kaum zu vermitteln
Das Problem ist der Politik zwar bekannt. Doch mit einer Lösung tut sie sich schwer. Gerade in Deutschland will man weder noch mehr Macht nach Brüssel abgeben noch mehr Geld nach Südeuropa überweisen. Doch genau das wäre wohl nötig.
Zunächst könnten zwar die Aktionäre und Gläubiger der Banken für die Verluste aus den Krediten haften, doch am Ende müssten wohl auch die Staaten in irgendeiner Form mit Steuergeld einspringen. Politisch ist das vor allem von der Bundesregierung kaum mehr zu vermitteln.
Grundsätzlich steht zwar der europäische Rettungsfonds ESM bereit, um marode Banken mit frischem Kapital zu versorgen. Doch von den 500 Milliarden Euro, die der Fonds insgesamt ausgeben kann, werden nach aktuellem Verhandlungsstand wohl höchstens 60 Milliarden Euro an Banken fließen, der Rest ist für die Staatenrettung reserviert.
Auch langfristig stehen die Chancen kaum besser: Für 2014 ist zwar eine Bankenunion geplant, mit gemeinsamer europäischer Aufsicht und einem einheitlichen Abwicklungsmechanismus. Doch wie genau dieser Mechanismus aussehen soll, ist hoch umstritten. Die EU-Kommission in Brüssel will in den kommenden Wochen eine europäische Abwicklungsagentur vorschlagen, in der unter anderem die nationalen Bankaufseher sitzen sollen. Ob eine Bank geschlossen oder saniert wird, möchte die Kommission aber gerne selbst entscheiden.
In Berlin sieht man die Sache anders. Die Bundesregierung will möglichst wenige Kompetenzen nach Brüssel abgeben - und vor allem eine gemeinsame Haftung für marode Banken in Südeuropa vermeiden. Sie dringt deshalb darauf, dass der gemeinsame europäische Mechanismus erst mal nur ein Netz aus nationalen Aufsichtsbehörden und Rettungstöpfen wird. "Die Bundesregierung will die Bankenunion schnell erreichen", sagt Martin Kotthaus, Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). "Uns liegt aber auch sehr daran, dass wir das nicht nur schnell machen, sondern auch auf einer absolut sicheren rechtlichen Basis und in der richtigen Reihenfolge."
Asmussen sieht Abwicklung erst mal beim ESM
Dabei betonen Experten stets, wie wichtig es sei, die Abwicklung und Sanierung von Banken nicht in nationaler Obhut zu lassen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Gerät zum Beispiel eine portugiesische Bank ins Wanken, müssen bisher portugiesische Behörden darüber entscheiden, das Institut zu schließen oder es mit frischem Kapital zu versorgen. Beides ist für die Behörde wenig attraktiv. Also lässt sie die Bank weiter wursteln und hofft auf billige Kredite der Notenbank.
ZEW-Chef Fuest dringt deshalb auf eine europäische Lösung. "Ein gemeinsamer Abwicklungsfonds ist essentiell dafür, dass die Euro-Zone in Zukunft funktionieren kann", sagt der Ökonom. Nur so könne die unheilvolle Verbindung zwischen Banken und Staaten durchbrochen werden.
Auch der deutsche Direktor der Europäischen Zentralbank, Jörg Asmussen, will das Problem lieber umfassend angehen. "Um mit großen und komplexen Bankengruppen umgehen zu können, brauchen wir eine Institution, die schnell und unabhängig entscheiden kann", sagte Asmussen am Freitag in Berlin. Bis eine eigene Behörde dazu aufgebaut sei, könne auch der Rettungsfonds ESM diese Aufgabe übernehmen.
Ob das gelingt, ist fraglich. Wie man es richtig macht, haben übrigens die Amerikaner gezeigt: Als dort ab 2007 die Immobilienblase platzte und die Banken ins Straucheln gerieten, wurden sie reihenweise teilverstaatlicht und mit ausreichend Kapital versorgt. Mittlerweile hat der Staat einen Großteil der Aktien wieder verkauft - und die Banken funktionieren wieder. Auch deshalb steht die US-Wirtschaft heute besser da als die in der Euro-Zone.