Streit über Nord Stream 2 "Wir sollten mit Gegensanktionen antworten"

Im Streit über die Ostseepipeline reagieren die Beteiligten zunehmend gereizt. Der Chef der deutsch-russischen Auslandshandelskammer fordert nach dem Sanktionsbeschluss der USA eine harte Reaktion.
Pipelineröhren: Energiepolitische Unabhängigkeit Europas steht auf dem Spiel

Pipelineröhren: Energiepolitische Unabhängigkeit Europas steht auf dem Spiel

Foto: Axel Schmidt/ Getty Images

Die deutsche Wirtschaft in Russland hat die geplanten Sanktionen der USA gegen Firmen im Zusammenhang mit der Ostseepipeline Nord Stream 2 scharf verurteilt. Der Chef der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK), Matthias Schepp*, bezeichnete die Maßnahmen als Schlag gegen die Energiesicherheit in Europa und forderte die Bundesregierung zu Gegenmaßnahmen auf. "Wir sollten auf Sanktionen, die Europa schädigen, mit Gegensanktionen antworten", sagte Schepp in der Nacht zum Donnerstag in Moskau. Er reagierte damit unmittelbar auf einen Beschluss des Repräsentantenhauses in Washington, die Pipeline mit Strafmaßnahmen zu belegen.

Verbandskollege Rainer Seele, außerdem Vorstandschef des Öl- und Gasversorgers OMV, ergänzte: "Die Sanktionen gegen Nord Stream 2 sind ein Schlag gegen Europa und den engen Bündnispartner Deutschland" - und sprach sich ebenfalls für direkte Gegenmaßnahmen aus.

"Es ist an der Zeit, dass Berlin und Brüssel eine klare politische Position beziehen und mit gezielten Gegenmaßnahmen antworten", sagte Schepp. Die energiepolitische Unabhängigkeit Europas stehe hier auf dem Spiel. Nord Stream 2 erhöhe die Energiesicherheit in Europa und sorge für günstige Energiepreise auch im Vergleich zum teureren amerikanischen Flüssiggas (LNG). Die USA wollten mit den Sanktionen den Verkauf von LNG nach Europa fördern, kritisierte Schepp.

"Deutschland braucht günstige Energiepreise, um mit seinen energieintensiven Industrien im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können", sagte Schepp. Eine zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas in Deutschland wies er als "Scheinargument" zurück. Die EU hänge bei "nüchterner Betrachtung der Fakten unzweifelhaft weniger vom russischen Gas ab als Russland von den Deviseneinnahmen für in die EU geleitetes russisches Gas". Die Sanktionen würden aber weniger Russland treffen, sondern in erster Linie europäische Unternehmen und deutsche Energieinteressen.

Die im US-Verteidigungsetat für 2020 festgeschrieben Maßnahmen gegen Nord Stream 2 und die Pipeline Turkish Stream, die aus Südrussland in die Türkei führt, richten sich gegen Firmen, deren Schiffe die Pipeline-Rohre am Meeresboden verlegen. Topmanagern, die Spezialschiffe für Nord Stream 2 bereitstellen, drohten unter anderem Einreisesperren und das Einfrieren von Vermögenswerten, sagte Schepp.

Nord Stream 2 kostet rund zehn Milliarden Euro. Die Leitung wird je zur Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom und den fünf europäischen Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Mehr als 90 Prozent der Strecke sind bereits fertiggestellt.

Eine Analyse zu den aktuellen Sanktionen, die das US-Repräsentantenhaus beschlossen hat, lesen Sie hier: Showdown auf der Ostsee

*Matthias Schepp war zwischen 2006 und 2016 Leiter des SPIEGEL-Büros in Moskau

mik/dpa
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