Wasserstoff, E-Autos, Ökostrom Deutschland braucht noch mehr Stromleitungen

Der Bedarf an Stromleitungen in Deutschland ist noch einmal gestiegen. Das geht aus dem neuen Netzentzwicklungsplan hervor, den die vier Stromnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und Transnet am Freitag vorstellen wollen und der dem SPIEGEL vorliegt.
Zwischen den Ortschaften Heide in Schleswig-Holstein und Klein Rogahn in Mecklenburg-Vorpommern muss demnach eine weitere Hochspannnungstrasse mit zwei Gigawatt Übertragungskapazität gebaut werden.
Eine weitere Leitung könnte zwischen dem niedersächsischen Rastede und dem hessischen Bürstadt nötig werden, wenn die Bundesregierung bis 2035 eine eher ambitionierte Wasserstoffstrategie verfolgt.
Auf hoher See müssen die Netze dem Papier zufolge ebenfalls verstärkt werden, um zusätzlichen Strom von Offshore-Windparks an Land zu leiten. Hier seien laut verschiedenen Szenarien Maßnahmen im Umfang von 590 bis 720 Kilometern nötig, heißt es.
Hauptgrund für den zusätzlichen Netzbedarf ist die sogenannte Sektorenkoppelung, durch die Wirtschaftsbereiche jenseits des Energiesektors möglichst schnell CO2-frei werden sollen. Konkret bedeutet das: Im Verkehr sollen verstärkt Elektroautos eingesetzt werden, bei der Gebäudebeheizung sind es strombetriebene Wärmepumpen. Die Bundesregierung will zudem im großen Stil mittels Ökostrom sogenannten grünen Wasserstoff herstellen und im Verkehrs-, Wärme und Industriesektor zusätzlich CO2 einsparen (wie das genau funktioniert, können Sie hier nachlesen).
Durch die Sektorenkoppelung dürfte der Strombedarf in Deutschland noch einmal deutlich steigen, heißt es im Netzentwicklungsplan. In der Folge müssten auch die Netze entsprechend ausgebaut werden, um die Elektrizität transportieren zu können. Der Bau neuer Stromleitungen provoziert allerdings oft Bürgerproteste und liegt deshalb schon jetzt deutlich hinter dem Zeitplan der Übertragungsnetzbetreiber. Die Stromtrassen sind dadurch schon jetzt teils überlastet – was zu volkswirtschaftlicher Verschwendung führt.
Wenn in den Netzen zu viel Strom ist, müssen erst die konventionellen Kraftwerke ihre Produktion herunterfahren. Erst wenn deren komplettes Potenzial zur Beseitigung von Netzüberlastungen ausgeschöpft ist, dürfen auch Ökostromanlagen abgeregelt werden. Da die Abnahme von deren Strom eigentlich Pflicht ist, werden die Anlagenbetreiber in der Folge entschädigt.
Die Kosten dafür werden den Verbrauchern auf ihre Stromrechnung draufgeschlagen. Laut Schätzungen der Bundesnetzagentur fielen im vergangenen Jahr bis zu 1,34 Milliarden Euro an Entschädigungen für das sogenannte Einspeisemanagement an.
Der Leitungsbedarf könnte auf verschiedene Arten verringert werden, zum Beispiel durch Stromspeicher, ein verbessertes Lastmanagement mit sogenannten Smart Grids oder durch eine noch stärkere Integration des europäischen Stromnetzes. In all diesen Punkten kommt die deutsche Energiewende jedoch ebenfalls eher schleppend voran.