Seehofer gegen Gabriel EU-Kommissar moniert Verzögerung bei deutschen Stromtrassen

Horst Seehofer blockiert den Bau neuer Stromleitungen, nun schaltet sich Brüssel ein: Das Projekt betreffe direkt andere EU-Länder, sagt Energiekommissar Cañete SPIEGEL ONLINE. "Einiges mehr muss getan werden."
EU-Energiekommissar Cañete: "Erhebliche Verzögerungen"

EU-Energiekommissar Cañete: "Erhebliche Verzögerungen"

Foto: AP/dpa

Hamburg - Die EU-Kommission schaltet sich in den deutschen Streit über den Bau zweier Stromtrassen ein. Die "Verzögerungen" beim Bau mancher Leitungen in Deutschland seien "erheblich", sagt Energiekommissar Miguel Arias Cañete  SPIEGEL ONLINE. "Einiges mehr muss getan werden."

CSU-Chef Horst Seehofer und die Bundesregierung streiten seit Monaten über den Bau zweier großer Trassen, die Strom aus dem windreichen Norden und Osten des Landes bis nach Bayern transportieren sollen. Das Projekt stößt in der Bevölkerung auf Widerstand. Seehofer will lieber neue Gaskraftwerke errichten oder derzeit defizitäre Gaskraftwerke am Netz halten. Der Bau zumindest einer der neuen Stromleitungen wäre nach seinen Worten dann überflüssig.

Aus Cañetes Sicht widerspricht das europäischen Interessen. "Die deutschen Stromautobahnen wurden von der EU-Kommission als europäisches Projekt von gemeinsamem Interesse eingestuft", sagt er. "Obwohl es sich um innerdeutsche Leitungen handelt, haben sie einen direkten Einfluss auf andere EU-Länder." Ihr rascher Bau sei "wichtig für den Aus- und Aufbau eines europaweiten Stromnetzes" und damit auch "für die Umsetzung des EU-Energiebinnenmarktes mitsamt der Integration von erneuerbaren Energien", sagt der EU-Kommissar.

Foto: © Eloy Alonso / Reuters/ REUTERS

Miguel Arias Cañete, 65, ist seit 2014 EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie. Zuvor arbeitete der Spanier als Minister für verschiedene Regierungen der konservativen Partido Popular (PP).

Cañete und der Vizepräsident der EU-Kommission Maroš Šefčovič hatten am Mittwoch ihr Konzept für eine sogenannte EU-Energieunion vorgestellt. Ein zentraler Bestandteil ist der rasche Ausbau von Strom- und Gasleitungen in der EU. Europa könne dadurch jedes Jahr zweistellige Milliardenbeträge sparen, sagt Cañete.

Der Streit um die Stromtrassen war bei einem Spitzentreffen der Großen Koalition am Mittwoch im Kanzleramt ungelöst geblieben. Ein Kompromiss soll bis Ende Juni gefunden werden.

Wenn die beiden Stromtrassen nicht gebaut werden, könnte die EU-Kommission Deutschland in letzter Konsequenz dazu drängen, den Elektrizitätsmarkt in eine nördliche und eine südliche Preiszone zu teilen. Grundlage wäre die EU-Binnenmarktrichtlinie.

Laut aktuellen Berechnungen des deutschen Netzbetreibers 50 Hertz könnten die Börsenstrompreise in Süddeutschland in der Folge um bis zu sechs Euro pro Megawattstunde steigen. Insgesamt könnte die deutsche Stromversorgung durch Ineffizienzen pro Jahr dann um gut 600 Millionen Euro teurer werden, heißt es in einer internen Präsentation, die SPIEGEL ONLINE vorliegt.

Die EU-Kommission strebt eine Aufspaltung des Strommarkts aber zumindest derzeit nicht an. Man sei "der Meinung, dass eine Fortführung des Dialogs zwischen allen Beteiligten der Schlüssel ist", sagt Cañete.

Seehofer und der deutsche Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) hatten sich zuletzt etwas aufeinander zu bewegt. Insidern zufolge schlägt Gabriel vor, eine der Höchstspannungsstromleitungen weitgehend entlang bestehender Trassen zu verlegen. Um Seehofer zum Bau der zweiten Leitung zu bewegen, erwägt Gabriel zudem, das defizitäre Gaskraftwerk im bayerischen Irsching weiter von deutschen Stromkunden subventionieren zu lassen.

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