Studie "Rente mit 67 nicht vertretbar"

Ein neues Gutachten sorgt für Zündstoff in der Debatte um die Rente mit 67: Der Arbeitsmarkt gibt nicht genügend Jobs für Ältere her - weniger als zehn Prozent der 63-Jährigen stehen derzeit noch voll im Beruf, heißt es darin. Die sozialen Folgen sind gravierend.
Rentner auf Parkbank: Fast 47 Prozent der Älteren gehen mit Abschlägen in Rente

Rentner auf Parkbank: Fast 47 Prozent der Älteren gehen mit Abschlägen in Rente

Foto: Z1018 Ralf Hirschberger/ dpa

Hamburg - Sozialverbände und Gewerkschaften haben neue Munition im Kampf gegen die Rente mit 67 gesammelt. Die Kernbotschaft des Zahlenwerks im vierten Monitoring-Bericht, den der DGB und der Sozialverband VdK am Freitag vorgestellt haben: Die Pläne der Bundesregierung sind unrealistisch und verschärfen die gesellschaftliche Schieflage in Deutschland.

Die beiden Studienautoren, Gerhard Bäcker von der Universität Duisburg-Essen und Ernst Kistler, Leiter des Internationalen Instituts für Empirische Sozialökonomie (INIFES), kommen zu dem Ergebnis: Nur 9,2 Prozent der 63-Jährigen und 6,3 Prozent der 64-Jährigen haben noch eine Vollzeitbeschäftigung. In den Gesundheitsdienstberufen haben sogar nur 2,6 Prozent, bei Malern und Lackierern lediglich 2,9 Prozent aller über 60-Jährigen einen Vollzeitjob.

Bei den von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) genannten wesentlich höheren Beschäftigtenzahlen seien dagegen sogar Ein-Stunden-Jobs pro Woche und selbständige Tätigkeiten mitgezählt worden, kritisierten die Autoren. Ende des Jahres will von der Leyen (CDU) einen Rentenbericht zur Beschäftigung Älterer vorstellen.

Die sozialen Folgen der Chancenlosigkeit Älterer auf dem Arbeitsmarkt seien schon heute gravierend, heißt es weiter in der Studie: 46,6 Prozent aller Altersrentner gehen mit Abschlägen in Rente - diese betragen durchschnittlich 114 Euro. In diesem Zusammenhang wiesen die beiden Wissenschaftler auch die häufig geäußerte Behauptung zurück, Altersarmut sei momentan noch kein Problem: Zwar sei die Zahl der Grundsicherungsempfänger im Alter noch relativ gering, steige aber stark an. Nach Statistiken der EU seien schon heute 17 Prozent der über 65-Jährigen von Armut bedroht.

Gewerkschaften und Sozialverbände rufen Politik zur Umkehr auf

Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Untersuchung des "Netzwerks für eine gerechte Rente" stand jedoch nicht nur die aktuelle Beschäftigungslage, sondern auch die zu erwartenden arbeitsmarktpolitischen Entwicklungen. Die Wissenschaftler gehen demnach davon aus, dass die Entlastung auf dem Arbeitsmarkt nur sehr langsam vorankommen wird und im nächsten Jahrzehnt weiterhin von einer hohen Massenarbeitslosigkeit auszugehen ist.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte die Bundesregierung auf, die Situation nicht länger zu verharmlosen oder schönzufärben. "Die Fakten belegen, dass die Einführung der Rente mit 67 nicht vertretbar ist. Wenn sich die Bundesregierung an die geltende Rechtslage hält, dann muss sie die Rente mit 67 in diesem Jahr stoppen."

Vdk-Präsidentin Ulrike Mascher machte deutlich, dass die Rente mit 67 die ohnehin drohende Altersarmut zusätzlich verschärft. Für die Betroffenen verlängere sich nicht die Lebensarbeitszeit, sondern die Zeit der Arbeitslosigkeit.

yes/AFP/dpa

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