Szenario Euro-Crash Finanzexperten fürchten den D-Mark-Alptraum

D-Mark-Münze: Rückkehr zu den alten Zeiten?
Foto: A2824 Tschauner Franz-Peter/ dpaHamburg - Eigentlich gibt es sie ja noch. Die D-Mark. Sogar in Massen. Auch fast neun Jahre nach der Einführung des Euro existieren 13 Milliarden Mark - in Verstecken, Sammlungen oder Omas Sparstrumpf. Und schenkt man Umfragen Glauben, dann wünscht sich fast die Hälfte der Bundesbürger die Mark als offizielles Zahlungsmittel zurück. So haben zum Beispiel die Meinungsforscher der EU-Behörde Eurobarometer festgestellt: "Die D-Mark war für viele Deutsche das Symbol für wirtschaftliche Sicherheit, Solidität und Prosperität."
Merkmale, die Euro-Skeptiker wohl nie mit der Gemeinschaftswährung verbinden werden.
Und ist es nicht wirklich so? Hat sich Europas Finanzkrise in den vergangenen Wochen nicht dramatisch verschärft? Nach Griechenland mussten auch die Iren unter den 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm schlüpfen, der ein Auseinanderbrechen der Währungsunion verhindern soll. Und schon könnten weitere Pleitekandidaten folgen. Portugal zum Beispiel, zumindest spekulieren die Finanzmärkte darauf. Im schlimmsten Fall trifft es sogar Spanien - mit dem Euro in seiner bisherigen Form wäre es dann wohl vorbei.
Doch was würde bei einem Euro-Crash eigentlich passieren? Würden in Deutschland tatsächlich die guten, alten D-Mark-Zeiten zurückkehren? Oder drohen Chaos und wirtschaftliche Depression?

Fotostrecke: Wo die Gefahren für den Euro liegen
Konkret gibt es zwei mögliche Szenarien, sagt Daniela Schwarzer, Europa-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik.
- Variante eins: Deutschland und andere stabile Staaten wie etwa Österreich und die Niederlande führen gemeinsam einen "Hartwährungs-Euro" ein. Eine ähnliche Idee brachte Ex-Industrieboss Hans-Olaf Henkel bei ZDF-Talkerin Maybrit Illner ins Gespräch. Man müsse zwei Euro-Blöcke schaffen, forderte er: einen nördlichen, "der keine Inflation will und an Haushaltsdisziplin gewöhnt ist", sowie einen südlichen, der seine Währung gerne abwerten dürfe, wenn er es denn unbedingt wolle.
- Variante zwei: Deutschland kehrt tatsächlich zur D-Mark zurück. Es gäbe in Europa keinen gemeinsamen Währungsraum mehr, jedes Land könnte seine Geldpolitik wieder selbst bestimmen.
Aber wäre das wirklich wünschenswert? Immerhin hat der Euro den Deutschen jede Menge Vorteile gebracht. Lohnt es sich da nicht, auch in schwierigen Zeiten für ihn zu kämpfen? Ein Crash der Gemeinschaftswährung hätte dramatische Folgen. Ein Blick auf die möglichen Konsequenzen:
Eine neue Währung kostet viel Geld
Die Vorbereitungen einer Währungsumstellung würden viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen. Der volkswirtschaftliche Schaden durch hohe Transaktionskosten wäre wohl enorm. Denn: Es müssten riesige Mengen neuer Geldscheine gedruckt und neue Münzen geprägt werden. Außerdem würde der Umtausch von Euro zurück zu einer - wie auch immer gearteten - neuen D-Mark einen extremen logistischen Aufwand erfordern. Die alten Euro-Scheine und die Münzen müssten zudem vernichtet werden.
Sicher, bei der Umstellung von D-Mark auf Euro mussten diese Hindernisse auch überwunden werden. Doch diese Währungsunion wurde lange geplant, die Serienproduktion des Euro begann bereits 1999, erst 2002 wurde er offizielles Zahlungsmittel. So viel Zeit und vor allem Ruhe hätte Deutschland bei einem Euro-Crash nicht.
Weitere Konsequenzen: Händler und Gastronomen müssten ihre Preise wieder in D-Mark auszeichnen. Geldautomaten, Computer und Kassen müssten umprogrammiert werden. Das wäre zwar alles möglich, würde aber viel Geld kosten.
Ohne Euro bricht der deutsche Export ein
"Viele Deutsche würden ein sentimentales Glänzen in die Augen kriegen, wenn die D-Mark zurückkäme", sagte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger bereits vor einem halben Jahr. "Aber die ökonomischen Folgen wären verheerend."
Vor allem für die deutsche Exportwirtschaft wäre die Wiedereinführung der D-Mark "ein Tiefschlag", sagt Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Der Grund: Für Investoren wäre die D-Mark attraktiv, sie würden in diesen "sicheren Hafen" flüchten. In der Folge käme es an den Devisenmärkten zu einer starken, vermutlich unkontrollierten Aufwertung.
Dies würde deutsche Waren im Ausland dramatisch verteuern - ein erheblicher Wettbewerbsnachteil, zumal rund 40 Prozent der Ausfuhren in den europäischen Währungsraum gehen. Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme beschrieb die Folgen im Sommer mit drastischen Worten: "Die Kurse würden so hochschießen, dass wir als Industrie draußen in der Welt nichts mehr verkaufen könnten."
Die Zahl der Arbeitslosen schießt in die Höhe
Sollte die deutsche Exportwirtschaft zusammenbrechen, hätte dies fatale Folgen für den Arbeitsmarkt. Experten rechnen für diesen Fall mit einem gewaltigen Jobkahlschlag in der Bundesrepublik. "Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit wäre unvermeidbar", sagt ZEW-Experte Heinemann.
Außerdem kämen auf deutsche Unternehmen weitere Kosten in Milliardenhöhe zu. Denn ohne Euro müssten sie sich gegen große Schwankungen bei den Wechselkursen absichern. Dank Gemeinschaftwährung ist dies bei Ausfuhren in Staaten der Währungsunion bislang unnötig.
Hinzu kommt: Ein Euro-Crash oder die Wiedereinführung der D-Mark würden die Finanzmärkte ins Chaos stürzen. Denn alle großen deutschen Banken halten derzeit Staatsanleihen anderer EU-Staaten - natürlich in Euro. Gäbe es die Gemeinschaftswährung nicht mehr, würden die Länder ihre Schulden in Drachmen oder Lire zurückzahlen. Doch dies wäre ein ernstes Problem für die Banken. Denn durch die enorme Aufwertung der D-Mark wären Lira oder Drachme deutlich weniger wert. "Deutschen Banken würden enorme Schuldenausfälle drohen", sagt Heinemann.
Europa verliert gegenüber China und den USA an Einfluss
Eine Niederlage des Euro wäre ein Sieg für den Dollar - er wäre bis auf weiteres die konkurrenzlose Währung für alle großen internationalen Geschäfte. Damit würde ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone auch auf politischer Ebene Schäden anrichten. "Europa würde gegenüber den USA und China enorm an Gewicht verlieren", sagte Deka-Bank-Volkswirt Andreas Scheuerle schon im Sommer.
Auch Daniela Schwarzer von der Stiftung Wissenschaft und Politik warnt vor einer "ungeheuren Schwächung Europas", sollte dieses Szenario tatsächlich Realität werden. Regelrecht verheerend wären die politischen Folgen. So fürchtet Schwarzer, dass ein Ende der Währungsunion zu erheblichen Spannungen zwischen den EU-Staaten führen könnte. Letztlich, sagt die Expertin, wäre die gesamte Europäische Union gefährdet.
Ein möglicher Vorteil der D-Mark-Rückkehr scheint da geradezu lächerlich: Urlaub in Italien, Spanien und Portugal wäre wieder billiger. "Die Kaufkraft der Deutschen im Ausland würde steigen", sagte ZEW-Mann Heinemann. Allerdings wäre das wohl nur ein kurzfristiger Effekt - wegen der befürchteten Verwerfungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt und den in der Folge sinkenden Einkommen. Außerdem müssten Auslandsurlauber ihre D-Mark bei der Bank umtauschen - und dafür Gebühren zahlen. Von diesen Kosten hatte der Euro sie befreit.
Fazit: Die Rückkehr zur D-Mark hätte überwiegend negative Folgen. ZEW-Experte Heinemann spricht daher auch von einem "unvorstellbaren Szenario - es hat unpopuläre Folgen für alle Beteiligten". Die Chancen, dass es dazu kommt, hält er denn auch für äußerst gering.