»Der Tankrabatt ist nun vertan« Dieselpreis kratzt wieder an der Zwei-Euro-Marke

Verbraucher spüren vom Tankrabatt nur wenig. Seit Einführung sind die Spritpreise laut ADAC fast täglich gestiegen. Die Chancen, die Konzerne mit einer Übergewinnsteuer zur Kasse zu bitten, sind jedoch gering.
Bis zum letzten Tropfen: Tanken ist für Pendler trotz Tankrabatt derzeit teuer

Bis zum letzten Tropfen: Tanken ist für Pendler trotz Tankrabatt derzeit teuer

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Karl-Josef Hildenbrand/ picture alliance/dpa

Es gelte »alles zu unternehmen«, um im Kampf gegen die Inflation das Preisniveau zu stabilisieren, wiederholte Bundesfinanzminister Christian Lindner in der ARD-Sendung »Maischberger« das Ziel der Bundesregierung. Doch mit der seit Juni geltenden Steuerentlastung auf Kraftstoffe könnte das schwierig werden.

Die Wirkung des Instruments schmelze immer weiter dahin, teilte der ADAC mit. Im bundesweiten Tagesdurchschnitt des Dienstags sei Diesel nur noch 5,2 Cent billiger als am Tag vor der Absenkung gewesen. E10 war 20,3 Cent günstiger.

Beides bleibt deutlich hinter der Höhe der Steuerentlastungen zurück, beklagte der ADAC. Bei Benzin waren die Steuersätze um 29,55 Cent je Liter und bei Diesel um 14,04 Cent reduziert worden. Hinzu kommt eine dann geringere Mehrwertsteuer auf den Gesamtpreis. Die Maßnahme ist Teil des Entlastungspakets der Bundesregierung, denn die Spritpreise hatten sich in den vergangenen Monaten stark erhöht.

DIW-Wettbewerbsexperte: »Tankrabatt ist nun vertan«

Nun schickt sich der Diesel jedoch an, die psychologisch wichtige Marke von zwei Euro pro Liter wieder zu übersteigen. Konkret kostete E10-Benzin laut ADAC am Dienstag 1,948 Euro pro Liter. Das sind 0,6 Cent mehr als am Montag. Diesel verteuerte sich um 1,6 Cent auf 1,992 Euro.

Die Steuersenkung sei ein Fehler gewesen, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der Nachrichtenagentur dpa. »Denn der größte Teil der drei Milliarden Euro an Steuergeldern wird in den Taschen der Mineralölkonzerne landen.«

Als Gegenmaßnahme schlug er vor: »Die Bundesregierung sollte dem Beispiel Italiens und Großbritanniens folgen und eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne  einführen.« Diese könne »auf die zusätzlichen Umsätze im Vergleich zu 2021 erhoben werden und eine 50-prozentige Steuer auf zusätzliche Gewinne beinhalten«. Die Einsparung könne die Regierung an alle Bürger in Form einer Energiepauschale zurückgeben.

Auch Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sprach sich für die Übergewinnsteuer aus. »Vom Krieg zu profitieren, das gehört sich eigentlich nicht«, sagte er im RTL–»Nachtjournal Spezial«. Das Problem sei allerdings, diese Profite von anderen abzugrenzen. »Trotzdem finde ich, man soll daran arbeiten, wissend, dass es kompliziert ist.«

Koalitionspartner und FDP-Minister Lindner lehnt eine solche Steuer bisher ab. »Ich kann nur vor Populismus an dieser Stelle warnen«, hatte er am Dienstag gesagt. »Wir wissen nicht, ob es Übergewinne gibt.« Und: Steuererhöhungen könnten dazu führen, dass es Knappheiten an der Zapfsäule gebe. »Die Knappheiten würden die Preise dann erst recht weiter steigern.« Auf eine Weltmarktentwicklung mit einer zusätzlichen Steuer nur in Deutschland zu reagieren, sei der falsche Weg. Unterstützung erhält er von Unionsfraktionsvize Thorsten Frei, der die Idee in der »Rheinischen Post« als »Planwirtschaft pur« kritisierte.

Wirtschaftsweise gegen Übergewinnsteuer

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm sagte der Zeitung: »Die Übergewinnsteuer dürfte letztendlich mehr schaden als nützen.« Es gebe keine klare Definition, was ein Übergewinn genau sei, und die Gefahr bestehe, »dass man auch Unternehmen besteuert, die mit ihren Aktivitäten zur Bewältigung der Krisen beigetragen haben«.

Zur Frage, warum die Preise nicht in gleichem Maß wie die Steuer gesunken sind, sagte Tomaso Duso, Wettbewerbsexperte am DIW: »Der Grund dafür ist, dass die Raffinerien Marktmacht haben. Das ist nicht unbedingt ein böswilliges Verhalten, sondern das Ergebnis hoher Marktkonzentration bei Raffinerien und Mineralölkonzernen.« Wirtschaftswissenschaftler hätten davor gewarnt, die Politik habe es aber nicht hören wollen. »Der Tankrabatt ist nun vertan.«

Auch der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, dämpfte im Bayerischen Rundfunk erneut die Erwartungen, Absprachen in der Mineralölbranche nachweisen – und damit sanktionieren zu können. Der Markt sei sehr transparent. Dadurch könnten die Unternehmen »blitzschnell« auf Preisänderungen der Konkurrenz reagieren. »Dadurch kann natürlich für die Autofahrer oder Autofahrerinnen der Eindruck entstehen: Das kann nur eine Absprache sein, wenn ich überall ähnliche Preise vorfinde.«

Für Verbraucherinnen und Verbraucher indes ist kein Ende der Preissteigerungen absehbar. Der Aufwärtstrend am Mittwochvormittag setzte sich laut ADAC fort: E10 war rund ein Cent teurer als im Vortageszeitraum, Diesel rund zwei Cent. Halte dieser Trend an, werde Diesel wohl auch im bundesweiten Tagesdurchschnitt über zwei Euro pro Liter steigen, sagte ein Sprecher.

apr/dpa
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