Minizuwachs bei Tarifverdiensten Inflation frisst Lohnerhöhungen auf

Warnstreikkundgebung im öffentlichen Dienst
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpaDie Verdienste von Beschäftigten mit Tarifvertrag sind im dritten Quartal gestiegen – allerdings können sie die hohe Inflation bei Weitem nicht ausgleichen.
Einschließlich fest vereinbarter Sonderzahlungen stiegen die Tarifverdienste um durchschnittlich 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. »Dies ist der geringste Anstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2010«, hieß es.
Da die Verbraucherpreise in den Sommermonaten gleichzeitig um 3,9 Prozent zulegten, schrumpfte die Kaufkraft der Beschäftigten. Berücksichtigt sind tarifliche Grundvergütungen und durch Tarifabschlüsse festgelegte Sonderzahlungen wie Einmal-, Jahressonder- oder tarifliche Nachzahlungen.
Durch einen Sondereffekt sind die Tarifverdienste im Verarbeitenden Gewerbe im dritten Quartal sogar um 0,9 Prozent gefallen: In der Metall- und Elektroindustrie wurde ein Jahr zuvor eine Pauschalzahlung geleistet, die diesmal erst für das laufende vierte Quartal vorgesehen ist. Ohne diesen Effekt wären die Tarifverdienste im Verarbeitenden Gewerbe um 0,6 Prozent gewachsen.
In manchen Branchen auch höhere Zuwächse
Unterdurchschnittliche Tarifsteigerungen gab es zudem im Bereich »Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen« mit 0,5 Prozent. Auch im Bereich »Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen« gab es ein mageres Plus von 0,8 Prozent.
Die vergleichsweise geringen Steigerungen der Verdienste sind auf verhaltene Tarifabschlüsse unter dem Eindruck der Coronapandemie zurückzuführen. Weitere Einbußen, beispielsweise durch Kurzarbeit, sind in der Auswertung der Tarifgehälter nicht enthalten. Vor der Pandemie hatten die Beschäftigten meist Lohnsteigerungen oberhalb der Inflation erhalten und so ihre realen Einkünfte gesteigert.
Überdurchschnittlich wuchsen die Tarifverdienste im dritten Quartal bei den sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen mit 2,9 Prozent. »Hier machte sich neben regulären Tariferhöhungen vor allem die Angleichung der Entgelte im Osten an die des Westens im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung bemerkbar«, hieß es. Auch im Baugewerbe (+2,1 Prozent) und in der Energieversorgung (+2,0 Prozent) gab es spürbare Zuwächse.
Abzuwarten bleibt, wie die allgemeine Entwicklung der Tarifverdienste weitergeht. So haben sich am Montag Gewerkschaft und Arbeitgeber geeinigt, dass rund 800.000 Beschäftigte der Bundesländer 2,8 Prozent mehr Lohn bekommen.
Notenbanker, Ökonomen und Finanzmärkte schauen derzeit genau auf die Entwicklung der Löhne. Sie suchen nach Hinweisen darauf, ob eine Spirale aus stark steigenden Verbraucherpreisen und Löhnen in Gang kommt, bei der sich die aktuell hohe Inflation verfestigen könnte.
Im November hatten sich Waren und Dienstleistungen in Deutschland um 5,2 Prozent zum Vorjahresmonat verteuert. Das ist die höchste Teuerungsrate seit fast 30 Jahren, die vor allem auf höhere Energiepreise, coronabedingte Lieferengpässe und Sondereffekte wie die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung zurückgeht.