Trotz hoher Inflation Tariflöhne mit geringstem Anstieg seit 2010

2021 sind die Tarifverdienste laut Statistischem Bundesamt im Schnitt wohl nur um 1,3 Prozent gestiegen. Das ist der geringste Anstieg seit Beginn der Zeitreihe – und die Verbraucherpreise steigen weiter.
Warnstreik im öffentlichen Dienst im November: Für sie werden die Gehälter zum 1. Dezember 2022 um 2,8 Prozent erhöht

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Foto: Carsten Koall / dpa

Die Kaufkraft der Millionen Tarifbeschäftigten in Deutschland leidet 2021 kräftig unter der starken Inflation. Das können Steigerungen bei Löhnen und Gehältern nicht ansatzweise ausgleichen: Dieses Jahr gab es ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamts zufolge außerdem das geringste Lohnplus seit mindestens elf Jahren.

Die Tarifverdienste einschließlich Sonderzahlungen wuchsen demnach um gerade mal durchschnittlich 1,3 Prozent. »Dies wäre der geringste Anstieg der Tarifverdienste seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2010«, teilte das Amt mit . Die Verbraucherpreise dürften dagegen mit rund drei Prozent deutlich schneller zulegen. »Damit würde die Verdienstentwicklung der Tarifbeschäftigten im Jahr 2021 deutlich unter der Inflationsrate liegen«, prognostizieren die Statistiker.

Können die Gewerkschaften höhere Löhne durchsetzen?

Das Ifo-Institut geht davon aus, dass auch im kommenden Jahr die Preise schneller steigen werden als die Tariflöhne. Letztere dürften den Münchner Forschern zufolge vor allem wegen Einmalzahlungen um 2,4 Prozent zulegen, die Inflationsrate aber mit 3,3 Prozent erneut deutlich höher liegen. Hinzu kommt: Der Effekt von Einmalzahlungen ist mit Blick auf die Zukunft begrenzt. Die wirtschaftliche Erholung und die stärkere Teuerung könnten sich »erst mit zeitlicher Verzögerung in kräftigeren Steigerungen der regulären Tarifentgelte niederschlagen«, heißt es im aktuellen Ifo-Konjunkturausblick.

Die Tarifrunde 2021 wurde nach wie vor durch den ungewissen Verlauf der Coronapandemie und die damit verbundenen ökonomischen Unsicherheiten geprägt, stellte kürzlich das Tarifarchiv des gewerkschaftsnahen WSI-Instituts fest. »Im Ergebnis führt dies zu eher moderaten Tariflohnzuwächsen«, sagte dessen Leiter Thorsten Schulten.

Während 2020 die Beschäftigten aufgrund einer damals sehr niedrigen Inflationsrate von 0,5 Prozent ein Reallohnwachstum verzeichnen konnten, übersteigen hohe Inflationsraten in diesem Jahr erstmals seit Langem wieder deutlich die Tariflohnzuwächse.

Manche Ökonomen befürchten, dass die Gewerkschaften wegen der höheren Inflation früher oder später deutlich kräftigere Lohnabschlüsse durchsetzen könnten, um Kaufkraftverluste einzudämmen.

Stark steigende Personalkosten wiederum könnten Unternehmen dazu veranlassen, ihre Verkaufspreise kräftig anzuheben, um die Gewinnmarge zu halten. Dadurch könnte eine Spirale aus immer weiter steigenden Preisen und Löhnen in Gang gesetzt werden, die die Teuerung ebenfalls antreiben würde.

apr/Reuters
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