

Ungleichheit So kann Vermögen gerechter verteilt werden

Die unteren 50 Prozent haben nur drei Prozent des Gesamtvermögens - viele haben gar keins
Foto: Martin Schutt/ dpaNa, gehören Sie dazu? Zu den oberen 10 Prozent der Einwohner? Zu den Reichen also, denen mehr als die Hälfte des Vermögens in Deutschland gehört? Oder doch eher zu den unteren 50 Prozent, also der Hälfte der Deutschen, denen zusammengerechnet nur drei Prozent des Vermögens gehören? Und wenn ja, wie können Sie das ändern?
Das sind keine Klassenkampfparolen. Ich zitiere die nüchternen Zahlen der Bundesbank, vorgestellt in der vergangenen Woche im Vermögensbericht. Und gleich noch nachgeschoben, dass sie das Vermögen der Reichen und Superreichen dabei eher zu niedrig schätzen dürfte. Superreiche seien bei der zugrundeliegenden Befragung im Jahr 2017 nämlich gar nicht dabei gewesen. Und auch die Reichen hätten sich weniger beteiligt.
Fun Fact: Viele derjenigen, die nach der Befragung zu den Begüterten im Land gehören, wollen das gar nicht wahrhaben. Gefragt nach ihrer Selbsteinschätzung, bekannten sich nämlich nur drei Prozent aus den oberen 20 Prozent der Vermögensstatistik dazu, zu dieser bevorzugten Gruppe zu gehören.
Manche Kommentatoren spotteten, das sei der Merz-Effekt. Einkommensmillionär Friedrich März hatte sich selbst 2018 nämlich in der "oberen Mittelklasse" eingeordnet. Das ist erst einmal ganz sympathisch. Wenn man sich nämlich als Mittelschicht sieht, glaubt man, dass man durch eigene Arbeit das Vermögen mehren kann. Und nicht, dass es nur darum geht, den eigenen Reichtum zu erhalten. Ein bisschen weltfremd von Merz war es allerdings auch.
Statistisch wird es immer die unteren 50 Prozent in der Wohlstandsverteilung geben. Es sollte aber das Ziel sein, dass diesen Menschen am Ende deutlich mehr als die aktuell bloß drei Prozent des Gesamtvermögens gehören.
Dafür sind zuerst diverse politische Weichenstellungen nötig, was man schon daran sehen kann, dass der Reichtum trotz allen Fleißes der Bürgerinnen und Bürger deutlich ungleicher verteilt ist als in vielen anderen Ländern Europas. Oder wie die Bundesbank schreibt: Deutschland gehört innerhalb Europas zu den Ländern mit einer besonders "hohen Ungleichverteilung der Vermögen".
Wenn Sie für dieses Ziel bei Ihren privaten Finanzen ansetzen wollen - hier vier Tipps.
1) Verlangen Sie mehr Geld vom Chef. Jedenfalls dann, wenn der das Geld hat, die Firma also gut läuft. Und viele Firmen sind in den vergangenen zehn Jahren ziemlich gut gelaufen. Wenn Sie die Wahl haben: Suchen Sie sich einen Job, der gut bezahlt wird.
2) Werfen Sie Ihren Dienstleistern kein Geld hinterher. Fast alles geht besser und preiswerter: Je 200 Euro im Jahr können Sie zum Beispiel sparen bei Strom, Gas und Handyvertrag. Jahr für Jahr. Ärmere Haushalte werden bei Strom und Gas, aber auch beim Girokonto und Versicherungsprämien besonders dreist zur Kasse gebeten.
3) Geld, das Sie langfristig nicht brauchen, sollten Sie in einen weltweiten ETF/Indexfonds mit Aktien investieren. Das hat, seitdem wir das betrachten (seit 1975), die meiste Rendite gebracht. So tun es übrigens auch die Reichen.
4) Und dann ist da die Frage mit der Immobilie: Vor allem Immobilienbesitzer sind in den vergangenen Jahren ohne eigenes Zutun deutlich reicher geworden. Wenn die eigenen vier Wände zu ihrem Lebensentwurf gehören, dann ziehen sie das durch. Mancher wird auch durch das Immobilien-Zwangssparen wohlhabend, weil jeden Monat die Rate aufgebracht werden muss. Günstig kaufen ist auch heute noch möglich, wenn auch nicht in der Münchner, Hamburger oder Berliner Innenstadt. Und günstig finanzieren geht gerade besonders gut.

Finanztip
Hermann-Josef Tenhagen, Jahrgang 1963, ist Chefredakteur von »Finanztip«. Der Geldratgeber ist Teil der gemeinnützigen Finanztip Stiftung. »Finanztip« refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links. Mehr dazu hier.
Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift »Finanztest« geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der »Tageszeitung«. Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.
So können Ihre eigenen Beiträge zum Verschieben der Vermögensbilanz aussehen. Nicht verschwiegen werden sollen aber auch einige politische Antworten auf die ungleiche Verteilung des Reichtums. Folgendes ist jetzt notwendig:
- Der Spitzensteuersatz ist heute deutlich niedriger als zu Helmut Kohls Zeiten, gleichzeitig müssen schon Facharbeiter und Studienräte als Singles den Spitzensteuersatz zahlen. Zugespitzt: Spitzenverdiener zahlen weniger. Facharbeiter bezahlen mehr. Das kann doch nicht sein.
- Es kann auch nicht sein, dass in Deutschland vermehrter Wohlstand ohne eigenes Zutun niedriger besteuert wird als harte Arbeit auf dem Bau, im Pflegeheim oder bei Aldi. Die pauschale Abgeltungssteuer gehört abgeschafft. (Das steht sogar im Koalitionsvertrag, aber haben Sie schon was von dem Thema gehört?)
- In vielen anderen europäischen Ländern wohnen mehr Menschen im eigenen Haus und in der eigenen Wohnung. Wo immer es gelingt, auch Menschen mit nicht so hohem Einkommen den Traum vom eigenen Haus zu ermöglichen, hilft das jedenfalls bei der Vermögensverteilung. Gezielte Förderung ohne Gießkanne, günstiges Bauland fürs Wohnen, Erbpacht, die Möglichkeiten sind längst nicht ausgereizt.
- Es kann unter Verteilungsgesichtspunkten auch nicht sein, dass das Vererben großer Vermögen oft ohne viel Erbschaftssteuer erfolgt, aber ganz legal wie bei Familie Quandt. Von den Umtrieben der Familie Engelhorn ganz zu schweigen. Es geht hier wirklich nicht um Omas und Opas Reihenhaus. Erben ist keine Leistung, schon gar nicht, wenn Geld für die Finanzierung von Schulen, Radwegen, Bahntrassen, Glasfasernetzen, Straßen und Polizei fehlt.
Das sehen übrigens auch manche wirklich Reiche so. Warren Buffet, der legendäre Multimilliardär, hat den allergrößten Teil seines Vermögens Stiftungen versprochen - ein Großteil soll an die Gates-Stiftung gehen. Seine Kinder seien gut versorgt, argumentiert Buffet.
Und zur Besteuerung von Reichtum grundsätzlich meinte der große alte Mann unter den Milliardären: Meine Sekretärin hat einen höheren Grenzsteuersatz als ich. Das kann nun wirklich nicht sein.