Steigende Pro-Kopf-Fläche Menschen in Deutschland wohnen immer großzügiger

Einfamilienhäuser nahe Leipzig: Wohnfläche wächst auf dem Land und in der Stadt
Foto: Jan Woitas / dpaIn Deutschland gibt es einen anhaltenden Trend zu einem hohen Bedarf an Wohnfläche. Gerade auf dem Land, aber auch in vielen teuren Großstädten hatten die Menschen 2020 im Schnitt mehr Raum zur Verfügung als fünf Jahre zuvor, wie eine Auswertung des Immobiliendienstleisters Empirica Regio ergibt. Demnach ist die Wohnfläche pro Kopf zwischen 2015 und 2020 am stärksten in ländlichen Regionen mit plus 3,7 Prozent gestiegen. In Großstädten lag der Zuwachs noch bei 1,5 Prozent.
Für die Erhebung hat Empirica Regio alle deutschen Gemeinden ab 400 Einwohnern untersucht – erfasst wurden knapp 9000 Gemeinden und 107 kreisfreie Städte.
»Gerade ländliche Regionen haben noch genügend Bauland und -platz, um neuen Wohnraum zu schaffen. Dort dominieren Einfamilienhäuser mit einem großen Flächenverbrauch pro Kopf«, sagte Jan Grade, Geschäftsführer des Immobiliendienstleisters. »In peripheren Räumen führen aber auch zunehmende Alterung, der Wegzug der jungen Menschen und damit steigende Leerstände zu einer erhöhten Pro-Kopf-Wohnfläche.«
Auf dem Land war demnach die Wohnfläche pro Kopf mit 51,4 Quadratmetern 2020 am höchsten. In Städten lag sie mit 40,9 Quadratmetern deutlich darunter, dazwischen kamen kleinere Städte und Vororte mit 47 Quadratmetern. Den deutschlandweiten Durchschnittswert bezifferte Empirica Regio auf knapp 46 Quadratmeter. Zahlen für 2021 lagen noch nicht vor. Das Statistische Bundesamt kam in früheren Angaben auf 47,4 Quadratmeter.
Hohe Wohnfläche geht oft mit Abwanderung einher
Der Wohnraum pro Kopf in Deutschland wächst seit Jahren – trotz steigender Immobilienpreise und Debatten über schlechte Energiebilanzen und Flächenverbrauch. Mit Ausnahme des Jahres 2015, als außergewöhnlich viele Menschen zuwanderten, sei der Flächenverbrauch seit 2005 stetig gestiegen, heißt es in der Auswertung von Empirica Regio. Im Schnitt kämen 0,2 Quadratmeter pro Jahr dazu.
Die typische Gemeinde mit sehr hoher Wohnfläche von mehr als 65 Quadratmetern pro Kopf hat demnach meist bis zu 1200 Einwohner, liege auf dem Land und leide unter Abwanderung.
In Beuren in der Eifel (75,2) und Aventoft in Schleswig-Holstein (73,6) wohnten die Menschen laut Studie auf besonders viel Fläche. Ganz vorn lagen Sylt und Föhr wegen der vielen Ferienwohnungen auf den Inseln. Kampen auf Sylt stand an der Spitze mit 264 Quadratmetern pro Einwohner, gefolgt von Nieblum (Föhr) sowie Wenningstedt-Braderup (Sylt) mit 121 und 108 Quadratmetern. Um Sondereffekte wegen des hohen Anteils an Ferienwohnungen zu vermeiden, wurden diese und andere Gemeinden in der Analyse herausgefiltert.
Besonders wenig Wohnraum hatten dagegen die Menschen in Raunheim in Hessen und Bliesdorf in Brandenburg mit 34,3 Quadratmeter pro Kopf. Am Ende der Liste stehen auch viele Mittel- und Großstädte – etwa Stuttgart (37,6), Frankfurt (37,4) und Offenbach (35).
In Berlin und Köln stagniert die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf seit Jahren bei 38,9 Quadratmetern. »Generell müssen Menschen in angespannten Wohnungsmarktregionen und den großen Metropolen auf weniger Wohnfläche pro Kopf zusammenrücken«, schreiben die Autoren.
Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht
Zudem wohnen immer weniger Menschen in einer Wohnung, auch weil die Gesellschaft überaltert und die Zahl der Single-Haushalte steigt. Seit Beginn der Neunzigerjahre ist der Anteil der Einpersonenhaushalte deutlich gestiegen, hieß es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Auf eine Wohnung kamen 2020 im Schnitt weniger als zwei Menschen, so das Statistische Bundesamt.
Der große Flächenverbrauch pro Kopf wirkt sich auch ungünstig auf Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen aus. Trotz aller Anstrengungen stagnierten die direkten CO₂-Emissionen des Gebäudebestands seit 2014 bei rund 120 Millionen Tonnen im Jahr, hieß es in einer Studie der DZ Bank im vergangenen Sommer.
Noch 1995 habe die durchschnittliche Wohnfläche bei 36 Quadratmetern je Einwohner gelegen, die Menschen hatten also gut 20 Prozent weniger Raum als 2020. Eine Trendumkehr sei nicht in Sicht, analysierte die DZ Bank. »Die wachsende Zahl an Einpersonenhaushalten und der von der Pandemie verstärkte Wunsch nach geräumigen Wohnungen – auch mit Blick auf Homeoffice – dürften das Flächenwachstum weiter vorantreiben.«