Trotz Bohrloch-Desaster Finanzprofis sagen BP große Zukunft voraus

BP-Chef Tony Hayward: "Das hätte niemals passieren dürfen"
Foto: Jim Lo Scalzo/ dpaHamburg - Tony Hayward will gleich den richtigen Ton setzen. An diesem Donnerstag muss sich der BP-Chef im US-Kongress den Fragen der Politiker stellen, und er lässt seine Botschaft schon vorher verbreiten: Zerknirschung. Wegen der Ölpest im Golf von Mexiko sei er am Boden zerstört, steht laut dem Fernsehsender CNN im Redemanuskript. Die Katastrophe tue ihm "zutiefst leid. Sie hätte niemals geschehen dürfen". Er begreife "die schreckliche Realität der Situation voll und ganz". Seine Trauer über das Unglück werde jeden Tag größer.
Die Strategie des Konzernchefs ist klar. Er muss nach dem Desaster der vergangenen Wochen um seinen Job kämpfen, und dafür will er sowohl der US-Politik als auch der Öffentlichkeit Entgegenkommen signalisieren.
US-Präsident Barack Obama hat unlängst klargemacht, dass er Hayward längst gefeuert hätte, wenn er könnte. BP hat nun angekündigt, 20 Milliarden Dollar in einen Hilfsfonds zu zahlen. Mit dem Geld sollen die Opfer der Ölpest entschädigt werden. Außerdem will BP 100 Millionen Dollar für Arbeiter zur Verfügung stellen, die wegen des Stopps der Tiefseebohrungen arbeitslos geworden sind. Doch so enorm die Summen auch klingen - Experten bezweifeln, dass BP damit schon alle Kosten der Ölpest abdecken kann.
Denn täglich strömen weiter bis zu 9,5 Millionen Liter aus dem Bohrloch. Das sind alle fünf bis zehn Tage eine "Exxon Valdez" - bei der bisher schwersten Ölkatastrophe waren 1989 nach einer Havarie 41 Millionen Liter Öl ins Meer geströmt.
Analysten der Schweizer Großbank Credit Suisse schätzen die Kosten für BP inzwischen auf 37 Milliarden Dollar, die Kollegen von Goldman Sachs kalkulieren sogar mit 60 Milliarden Dollar. Also das Doppelte bis Dreifache des Hilfsfonds.
Doch selbst wenn die Katastrophe den Konzern so teuer kommt: Seine Existenz ist kaum gefährdet. Der Ölmulti macht pro Jahr zwischen 15 und 20 Milliarden Dollar Gewinn. Im ersten Quartal 2010 waren es allein 5,6 Milliarden Dollar; das Geschäft läuft trotz der Ölkatastrophe. BP kann die Folgekosten des Desasters relativ schnell finanzieren. Am Donnerstag teilte der Konzern mit, um die Geldmittel zu erhöhen, wolle der Aufsichtsrat weniger investieren und geplante Verkäufe vorziehen, das bringe rund zehn Milliarden Dollar.
"Mit einem oder zwei Jahresgewinnen ist das erledigt"
Weil der BP-Aktienkurs abgestürzt ist, kursieren derzeit Übernahmegerüchte an den Märkten - aber man sollte sie nicht überbewerten. Zumal sie von der Konkurrenz kommen.
Der Ex-Präsident von Shell, John Hofmeister, sagte dem "Handelsblatt", die Kosten der Ölkatastrophe könnten für BP "ein Ausmaß erreichen, das groß genug ist, um die Zukunft des Unternehmens in Frage zu stellen". Stimmt das? Heiko de Vries sieht es anders. Im Aktienfonds seiner Investment-Boutique Loys ist BP die derzeit größte Position, obwohl sie in den vergangenen Wochen fast die Hälfte ihres Wertes verloren hat. "Der Konzern hat eine Zukunft", sagt de Vries. Zumindest wenn man einen Zeithorizont von drei bis fünf Jahren anlege, gelte das. Die Aktie sei mit 362 Pence "deutlich unterbewertet", BP könne die Krisenkosten aus dem Cashflow tragen. "Mit einem oder zwei Jahresgewinnen ist das erledigt."
De Vries vergleicht die Situation von BP mit jener von McDonald's während der BSE-Krise. Angesichts der Tierseuche stürzte die Aktie der Fast-Food-Kette Ende 2000 ab, und auch damals zweifelten Experten an der Zukunft des Konzerns. Kurze Zeit später stellten sich die Sorgen als übertrieben heraus. "Wir schauen daher gar nicht so sehr auf den aktuellen Kurs, sondern auf das Potential zum fairen Unternehmenswert", sagt de Vries. Auch die Imageprobleme betrachte er nicht als existentiell: "Es gibt mittelfristig keinen Ersatz für Öl als Energieträger, und der Bedarf wächst." Wegen der wachsenden Probleme bei der Förderung erwarte er einen steigenden Ölpreis. Und das werde BP nützen.
Die Beziehungen zu Washington verbessert
Andere Analysten und Börsenhändler stimmen der Analyse zu. Der Treuhandfonds über 20 Milliarden Dollar und die Streichung der Dividende seien ein Schritt in die richtige Richtung, sagte Fadel Gheit von Oppenheimer & Co. in New York. Damit weiche ein Großteil der Unsicherheit im Markt, sagte ein Händler.
Auch die UBS hält an ihrer Anlageempfehlung fest: BP habe geradezu drakonische Maßnahmen akzeptiert, um sein wichtiges US-Geschäft zu schützen, sagte Analyst Jon Rigby. Die rechtliche Durchsetzbarkeit dieser Maßnahmen sei zwar schwierig. Nun aber könnten sich die Beziehungen zur US-Regierung normalisieren. Es sei vor allem der Druck der Politik gewesen, der sich verheerend auf den Aktienkurs ausgewirkt habe.
In einer Studie von JPMorgan heißt es, selbst mit hohen Strafen, dem Hilfsfonds und dem Ausgleich für die Arbeiter bleibe die Verschuldung im Rahmen dessen, was das Management ohnehin angepeilt habe. BP sei also weiter in einer finanziell starken Position. Tatsächlich legte die BP-Aktie am Donnerstag zeitweise um acht Prozent zu.
Für BP spricht außerdem, dass der Konzern die 20 Milliarden Dollar nicht sofort zahlen muss. Über dreieinhalb Jahre sollen die Zahlungen gestreckt werden, im dritten Quartal dieses Jahres werden drei Milliarden überwiesen, im vierten zwei, dann bis Ende 2013 pro Quartal 1,25.
Komplett von BP-Aktien getrennt hat sich dagegen die Fondsgesellschaft DWS. "Ich möchte BP in keinem Portfolio mehr sehen", sagte DWS-Chef Klaus Kaldemorgen "Börse Online". Sein Unternehmen habe alle Papiere des Ölkonzerns schon kurz nach der Explosion im April verkauft.