Freihandelsabkommen CDU rechnet sich TTIP-Prognosen schön

Neue Jobs, mehr Geld für alle - "TTIP ist gut für Deutschland", behauptet die CDU in neuen Infomaterialien zum Freihandelsabkommen. Doch die Partei stützt sich auf umstrittene Zahlen, die beliebig zusammengepuzzelt wurden.
Informationsseite der CDU: Auftritt als Stimme der Vernunft

Informationsseite der CDU: Auftritt als Stimme der Vernunft

Foto: CDU

Berlin - So sieht eine Informationsoffensive aus: Mit einer eigenen Internetseite , diversen Broschüren für die Basis und einer Botschaft von Generalsekretär Peter Tauber wirbt nun auch die CDU bei ihren Mitgliedern für das transatlantische Freihandelsabkommen, kurz TTIP. Schließlich löse das Thema "unheimlich viele Emotionen" aus, sagt Tauber.

In der SPD sorgte die Angst vor genmanipulierten Lebensmitteln oder geheim tagenden Schiedsgerichten bereits für so viel Widerstand, dass sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel am Wochenende zu einem Machtwort genötigt sah. Beim Koalitionspartner dagegen sieht man das Thema als Gelegenheit zur Profilierung: In der TTIP-Debatte soll sich die Union als Stimme der wirtschaftspolitischen Vernunft präsentieren.

Das könnte schwierig werden, denn die jetzt an die Basis verteilten Argumentationshilfen sind angreifbar. Das gilt insbesondere für das liebste Versprechen aller Politiker: zusätzliche Arbeitsplätze.

In der CDU-Broschüre "Bedeutung und Inhalte von TTIP"  heißt es dazu: "Die Schätzungen über zusätzliche Arbeitsplätze in der EU reichen von 400.000 bis 1,3 Millionen". Die Bundesrepublik scheint dabei ganz besonders zu profitieren. "Deutschland kann mit bis zu 200.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen rechnen." Dieser Wert findet sich auch in dem CDU-Flugblatt "Darum ist TTIP gut für Deutschland ".

Doch die rundum positiven Aussichten haben sich die Autoren aus verschiedenen Studien zusammengepuzzelt: Die von der Partei als scheinbarer Mindestzuwachs angegebene Zahl von 400.000 Jobs ist tatsächlich der Wert, den eine Studie des Münchner Ifo-Instituts für das Bundeswirtschaftsministerium  im günstigsten Fall erwartet. Dieses Szenario setzt eine "ambitionierte Absenkung nichttarifärer Barrieren" voraus. Sollten dagegen durch TTIP nur die Zölle wegfallen, hätte dies den Wissenschaftlern zufolge keine spürbaren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Jobs würden nicht nur geschaffen, sondern auch vernichtet

Die Zahl von 1,3 Millionen Jobs stammt aus einer zweiten Ifo-Studie für die Bertelsmann-Stiftung . Auch dieser Wert bezieht sich auf eine "tiefe Liberalisierung", die weit über den Abbau von Zöllen hinausgehen würde. Zudem stehen dabei dem positiven Effekt in der EU erhebliche Arbeitsplatzverluste in anderen Ländern gegenüber - allein in Kanada würden demnach gut 100.000 Jobs wegfallen, in der Türkei knapp 95.000.

So ist das halt im globalen Wettbewerb, könnte nun mancher Unionsanhänger argumentieren - dafür gewinnen wir in Deutschland 200.000 Jobs hinzu. Auch diese Zahl bezieht sich allerdings auf die optimischste Annahme der Bertelsmann-Studie. Demnach könnten in Deutschland bis zu 181.092 neue Arbeitsplätze entstehen - ein Wert, der von der CDU großzügig auf 200.000 aufgerundet wurde. Die Studie fürs Wirtschaftsministerium geht dagegen nur von maximal 110.000 neuen Jobs in Deutschland aus.

Solange die Details von TTIP unbekannt sind, bleiben ohnehin alle Prognosen höchst unsicher - das gilt für Befürworter wie Gegner des Abkommens. Bei der CDU scheint man jedoch fest entschlossen, schon jetzt vom Idealfall auszugehen. Schließlich werde an vielen Stellen deutlich, dass man mehr als eine Zollabsenkung anstrebe, erfuhr SPIEGEL ONLINE aus der Bundesgeschäftsstelle der Partei.

Dass die zitierten Prognosen in der Frage zusätzlicher Jobs zum Teil stark voneinander abweichen, bekümmert die Partei wenig. "Warum die Ergebnisse so unterschiedlich sind, müssten Ihnen wiederum die Institute erläutern. Wir wollten uns in diesen möglichen Interpretationen nicht verlieren, sondern die positiven Auswirkungen für Deutschland und Europa herausstellen", hieß es aus der Bundesgeschäftsstelle. Eine besonders originelle Erklärung gibt es für die Aufrundung der Job-Prognose für Deutschland um 19.000 Stellen: Im Gegenzug habe man die Zahl der EU-weiten Jobs um 45.000 auf 1,3 Millionen abgerundet.

Dass mit TTIP alles optimal läuft, legt auch die Website der CDU nahe: "Generell sollten alle in der EU etwas vom TTIP haben", heißt es dort. "Ein durchschnittlicher Haushalt etwa 545 Euro mehr im Jahr."

Hier zitieren die Autoren eine Studie des britischen Centre for Economic Policy Research im Auftrag der EU-Kommission . Der Wert bezieht sich - Überraschung - auf ein "ambitioniertes und umfassendes" Freihandelsabkommen. Sollte es weniger ambitioniert ausfallen, würden die Haushalte mit 306 Euro profitieren. Und falls lediglich Zölle fallen, hätten sie gerade mal 99 Euro mehr in der Tasche - im Jahr 2027.

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