Nach Gabriels Absage Merkel gibt TTIP noch nicht auf

Sind die Freihandelsgespräche mit den USA gescheitert? Sigmar Gabriel sieht das so, Angela Merkel widerspricht ihrem Vizekanzler: Entscheidungen fielen oft erst in der letzten Runde.
Angela Merkel bei einer Kabinettssitzung

Angela Merkel bei einer Kabinettssitzung

Foto: HANNIBAL HANSCHKE/ REUTERS

Angela Merkel hält das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) im Gegensatz zu Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bislang nicht für gescheitert. "Noch sind die Verhandlungen nicht zu Ende", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert im Namen Merkels mit. "Es ist schon oft in Gesprächen durchaus in der letzten Runde erst das Entscheidende passiert."

SPD-Chef Gabriel hatte hingegen im ZDF-Sommerinterview gesagt: "Die Verhandlungen mit den USA sind de facto gescheitert, weil wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen."

Seibert räumte ein, die Positionen der EU und der USA wichen in wichtigen Fragen durchaus voneinander ab. Nach Merkels Erfahrung habe es aber kaum je Verhandlungen gegeben, bei denen die entscheidenden Kompromisse schon Monate vor Abschluss möglich gewesen seien. "Es ist richtig, weiterzuverhandeln." Ähnlich hatte sich Merkel bereits Ende Juli bei ihrer traditionellen Sommer-Pressekonferenz geäußert. Damals erklärte sie TTIP auch für "richtig und wichtig".

Wirtschaftsverbände kritisieren Gabriels TTIP-Kurs

Für Gabriel hat das Thema Freihandel auch angesichts des nahenden Bundestagswahlkampfs eine wachsende Bedeutung. Im Gegensatz zu TTIP befürwortet der SPD-Chef das Freihandelsabkommen Ceta mit Kanda. Im September entscheidet ein Parteitag über Ceta. Eine Ablehnung würde eine schwere Niederlage für Gabriel bedeuten.

Die Verbände der deutschen Wirtschaft sind verärgert über Gabriels Abgesang auf TTIP. "Ich finde es erstaunlich, dass der Bundeswirtschaftsminister die Verhandlungen für de facto gescheitert erklärt", sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Grillo forderte von der Bundesregierung einen "wesentlich stärkeren öffentlichen und politischen Einsatz" für das Freihandelsabkommen. Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) stellte sich gegen Gabriel. Die TTIP-Verhandlungen mit den USA seien zweifellos eine Herausforderung, erklärte Präsident Eric Schweitzer. "Aber wir haben gemeinsame Interessen und Werte, daher sollten wir nicht nachlassen, die Verhandlungen ernsthaft weiter zu führen."

Unterstützung für Gabriel kam dagegen von den Gewerkschaften. IG-Bau-Chef Robert Feiger sagte, alles was bisher über TTIP bekannt sei, widerspreche "unserer Vorstellung von einem Zusammenleben in Europa".

dab/beb/Reuters
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