Freihandelsabkommen TTIP Gutachten stuft Schiedsgerichte als verfassungswidrig ein

Die Schiedsgerichte beim geplanten Freihandelsabkommen TTIP sind nicht nur umstritten - sondern laut einem Gutachten auch verfassungswidrig.
BUND-Protest gegen TTIP im November in Dresden: "Abkommen setzt mühsam erkämpfte Standards aufs Spiel"

BUND-Protest gegen TTIP im November in Dresden: "Abkommen setzt mühsam erkämpfte Standards aufs Spiel"

Foto: Matthias Hiekel/ dpa

Die in den geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada, TTIP und CETA, vorgesehenen Schiedsgerichte sind einem Gutachten zufolge verfassungswidrig. Die Professorin für Öffentliches Recht der Münchner Universität der Bundeswehr, Kathrin Groh, hat es im Auftrag des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) angefertigt.

"Eine Flucht aus der deutschen Gerichtsbarkeit" mittels Schiedsgerichtsvereinbarung begegne "durchgreifenden rechts- und verfassungsstaatlichen Bedenken", erklärte Groh am Mittwoch in Berlin. Die deutsche Justiz müsse das "letzte Wort haben", auch und gerade bei Schadensersatzforderungen ausländischer Investoren gegen den deutschen Staat, erklärte Groh.

Die geplanten privaten Schiedsgerichte zählen zu den größten Streitpunkten in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen. Die Abkommensgegner befürchten, dass Konzerne dort unter Berufung auf das Abkommen Schadensersatz für unliebsame Gesetze verlangen und so indirekt Druck auf Regierungen ausüben könnten. Solche Schiedsgerichte finden sich schon jetzt in vielen Handelsabkommen.

Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger sah sich durch das Gutachten bestätigt. "Wir sind in großer Sorge, dass durch diese Abkommen mühsam erkämpfte Standards zur Disposition gestellt, der Spielraum für künftige politische Regulierung beschränkt und unsere demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahren ausgehebelt werden", sagte er.

Geplante Reform der EU-Handelskommissarin braucht Zeit

Auch in der Politik sind die Schiedsgerichte nicht unumstritten. Am Wochenende schlug Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor, anstelle von privaten Schiedsstellen einen US-europäischen Handelsgerichtshof ins Leben zu rufen.

Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström unterbreitete am Dienstag Reformvorschläge: Demnach sollen die Schiedsstellen mehr wie traditionelle Gerichte arbeiten. Zudem soll es nach dem Willen der EU-Kommission klare Regeln für die Schiedsgutachter und wohl auch eine zweite Instanz geben.

Als "mittelfristiges Ziel" setzt sich die Kommission laut Malmström auch, einen ständigen Schiedsgerichtshof aufzubauen - offenbar soll dieser aber erst nach dem TTIP-Abkommen etabliert werden. Bei der Vorstellung ihrer Pläne im Außenhandelsausschuss des Europaparlaments am Mittwoch sagte Malmström, dass das Ziel eines ständigen Gerichts nicht schnell erreicht werden könne.

Die Europäische Bürgerinitiative Stop TTIP erklärte am Mittwoch, die Vorschläge Malmströms gingen "am Problem vorbei". Auch ein "reformiertes" Schiedsgerichtsverfahren begünstige ausländische Investoren und ermögliche, dass unabhängige Gerichte durch die Anrufung privater Schiedsstellen umgangen würden, erklärte Roland Süß, Sprecher von Stop TTIP.

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