Genfood und TTIP Bundesregierung verschleppt Kennzeichnungspläne

Gentechnisch veränderte Lebensmittel: Bald auch in der EU?
Foto: Patrick Pleul/ picture-alliance/ dpa/dpawebDie Bundesregierung gibt sich selbst nur eine mittelmäßige Note: "Insgesamt zufriedenstellend" seien die Verhandlungen zum Schutz von Lebensmitteln in der EU abgeschlossen worden. Diese Selbsteinschätzung steht in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion zu den Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Die Schulnote bezieht sich zwar auf die Verhandlungen über das Ceta-Abkommen mit Kanada, das aber als Vorbild gilt für den umfassenderen Freihandelsvertrag TTIP mit den USA.
Aufschlussreich sind vor allem die Antworten auf die Fragen der Grünen-Abgeordneten nach der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel - ein Thema, dass in der Öffentlichkeit für viel Aufregung sorgt, schließlich lehnt eine deutliche Mehrheit in Deutschland und Europa Gentechnik bei Lebensmitteln ab. In ihrem Koalitionsvertrag haben die deutschen Regierungsparteien Union und SPD deshalb auch versprochen: "Wir treten für eine EU-Kennzeichnungspflicht für Produkte von Tieren, die mit genveränderten Pflanzen gefüttert wurden, ein."
Verschiedene Gutachten hatten in den vergangenen Monaten bereits davor gewarnt, dass TTIP und Ceta dieses Vorhaben gefährdeten. So erwartet der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags sogar Klagen der USA, sollte die EU eine entsprechende Kennzeichnungspflicht einführen.
Die Antworten auf die kleine Anfrage legen den Schluss nahe, dass sich die Bundesregierung Stück für Stück von dem guten Vorsatz im Koalitionsvertrag zurückzieht.
Bei den TTIP-Verhandlungen geht es seit Monaten vor allem um die Angleichung von Rechtsvorschriften und Standards - als Grundlage für einfacheren Handel zwischen der EU und den USA. In dem Schreiben an die Grünen-Abgeordneten schreibt die Bundesregierung jetzt aber, in den TTIP-Verhandlungen werde "derzeit keine Harmonisierung oder Angleichung von einzelnen Kennzeichnungsvorschriften im Lebensmittelbereich" erörtert.
Eine Aussage, die den Grünen-Abgeordneten Harald Ebner empört: "Diese Antwort ist reine Augenwischerei und widerspricht allem, was wir über die TTIP-Verhandlungen wissen. Derzeit nicht - dann aber in der nächsten Runde?"
Der Grünen-Sprecher für Gentechnik ärgert sich vor allem über den Vorschlag des US-Landwirtschaftsministers Tom Vilsack, Fleisch, Milch oder Eier von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, nur mit einem Barcode zu kennzeichnen - sodass die Informationen ausschließlich per Smartphone abgerufen werden können. Auch Verbraucherschützer kritisieren das, denn so hätten Menschen ohne entsprechende Geräte keine Chance, die Informationen abzurufen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte den Vorschlag nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen in Washington im Januar in der "Tagesschau" noch freudig als "Angebot" der USA bezeichnet .
Jetzt rudert die Bundesregierung zurück: Die Barcode-Kennzeichnung solle ausschließlich für den US-Markt gelten, heißt es in der Antwort auf die kleine Anfrage, schließlich habe Vilsack erläutert, dass die EU-Kennzeichnungsvorschriften für gentechnisch veränderte Lebensmittel "grundsätzlich" nicht mit dem US-System vereinbar seien.
"Da hat er Recht", freut sich Ebner, der bei den Gesprächen in Washington dabei war. "Dann muss aber konsequenterweise auch der ganze Lebensmittel- und Agrarbereich aus den TTIP-Verhandlungen herausgenommen werden", fordert der Grünen-Sprecher für Gentechnik, "doch davon ist bislang nicht die Rede."
Agrarminister Schmidt wird nach diesen Antworten der Bundesregierung das Barcode-"Angebot" aus den USA wohl ausschlagen. Vielleicht ist ihm aber mittlerweile auch selbst aufgefallen, dass sein US-Kollege Vilsack die vermeintlich elegante Kennzeichnungslösung schon seit dem Sommer 2014 verbreitet . Und zwar ganz ungeniert auf Vorschlag von Nestlé . Der Lebensmittelkonzern könnte schließlich gut damit leben, dass die vielen Produkte mit gentechnisch veränderten Zutaten im Sortiment nicht allzu leicht zu erkennen sind.