Deutsche Konzerne und die Uiguren in Xinjiang Eine Frage der Moral

Mehr als eine Million Uiguren sind in chinesischen Umerziehungslagern eingesperrt. Trotzdem machen deutsche Konzerne wie VW und BASF Geschäfte in der Region.

Xinjiang ist arm, doch reich an Rohstoffen und Bodenschätzen. Seit einigen Jahren folgen auch viele deutsche Konzerne dem Ruf der chinesischen Regierung, in der autonomen Region im Nordwesten des Landes zu investieren. Eine vom Onlinemagazin "China File" veröffentlichte Liste nennt etwa ein Dutzend Unternehmen .

Die Uiguren in Xinjiang werden inzwischen systematisch unterdrückt und überwacht. Mehr als eine Million Menschen dieser muslimischen Minderheit sind in Umerziehungslagern eingesperrt . Die "China Cables" haben erschreckende Details über dieses Gulag-Systems ans Licht gebracht. Die Regierung in Peking hatte Vorwürfe der Unterdrückung und Drangsalierung stets bestritten.

"Die Kommunistische Partei hat Angst vor allem, was eine außerhalb der offiziellen Ideologie eigene Identität und gemeinsame Anliegen stiftet", sagt Katja Drinhausen, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Mercator Institut für Chinastudien (Merics). "Gegen die Uiguren, die ethnisch, religiös und sprachlich gleich in mehrfacher Hinsicht abweichen, wird deshalb besonders hart vorgegangen."

Welche Unternehmen agieren in der Region - und wie?

Beispiel Volkswagen: Der Konzern hat gemeinsam mit der Shanghai Motor Corporation (SAIC) seit 2013 ein Werk in Xinjiangs Hauptstadt Urumtschi, in Turpan wiederum betreiben beide seit 2019 eine große Teststrecke, für Forschungen unter extrem trockenen und heißen Bedingungen. Das relativ kleine Werk hat Kapazitäten für 50.000 Fahrzeuge pro Jahr, 650 Menschen arbeiten dort, etwa ein Viertel gehört Minderheiten an. Sie fertigen den "Santana" für den chinesischen Markt.

Die Entscheidung für das Werk sei "auf Grundlage rein wirtschaftlicher Überlegungen gefällt" worden, teilte ein Konzernsprecher mit. Gleichwohl sei sich Volkswagen der Lage in der Region bewusst. "Wir beobachten die Entwicklungen und beziehen uns dabei auf die öffentlich zugänglichen Berichte der Vereinten Nationen."

Das Unternehmen gibt an, zur Entwicklung der Region und zum Zusammenleben der Menschen beizutragen. "Wir möchten, dass mit Arbeitsplätzen für alle Volksgruppen das soziale Umfeld für die Menschen in Urumtschi verbessert wird."

Im Frühjahr klang das noch anders. Von einem BBC-Journalisten auf die Menschenrechtslage in Xinjiang angesprochen, bekam Konzernchef Herbert Diess damals kaum mehr als ein "Das kann ich nicht beurteilen" heraus:

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Doch selbst wenn VW die Probleme jetzt sieht: Zurückziehen will sich der Autokonzern nicht. Das Engagement in der Region soll stattdessen ausgebaut werden. Ab Mitte 2020 will der Konzern auch ein neues SUV-Modell in dem Werk in Urumtschi produzieren.

Ist das der richtige Weg? Die Kritik an VW wird schärfer und schärfer .

"Die Firmen müssen eine grundlegende Risikoanalyse vornehmen, damit sie sich weder direkt noch indirekt an Repressionen beteiligen", verlangt Merics-Forscherin Drinhausen. Unter anderem sollten dazu "sämtliche Zulieferketten und Kooperationen nochmals überprüft werden".

Es sei früh klar gewesen, dass die kommunistische Partei in Xinjiang hart gegen Uiguren vorgeht - einige Unternehmen seien trotzdem hingegangen. Drinhausen verweist auf die Unruhen in Urumtschi im Jahr 2009 und die Anschläge in den Jahren darauf. Rechtlich habe man gegen China keine Handhabe, "daher ist es nun vor allem eine moralische Frage, die die Firmen und die Öffentlichkeit, durch den Konsum dieser Güter, entscheiden müssen", sagt Drinhausen.

Auch bei BASF zeigt man sich der "sozialen Probleme im Raum Xinjiang bewusst". Der Chemiekonzern betreibt zwei Produktionsstätten im Chemie-Industriepark als Joint-Ventures in der Stadt Korla. Insgesamt 120 Menschen produzieren dort nach Konzernangaben Butandiol und Polytetrahydrofuran, darunter "eine kleine Anzahl" ethnischer Minderheiten. "Aufgrund der Wettbewerbsfähigkeit und Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen" habe man sich für die Produktion im Nordwesten Chinas entschieden.

Wie VW geht auch BASF davon aus, dass, wie es heißt, keine Mitarbeiter unter Zwang für den Konzern arbeiteten. Außerdem wird auf den Verhaltenskodex der Firma verwiesen, der auch für die beiden Standorte gelte. Für die Partnerfirmen jedoch könne man nicht sprechen. Die Arbeitsverträge hätten die Beschäftigten mit den Joint Ventures BASF Markor Chemical Manufacturing (Xinjiang) Co. Ltd. und Markor Meiou Chemical (Xinjiang) Co. Ltd. geschlossen.

Ein Konzern, der etwas zu bewirken versucht, ist Bosch. Der deutsche Mischkonzern warnte laut Merics  die chinesischen Behörden davor, seine Beschäftigten zu internieren und biete für Mitarbeiter muslimische Gebetsräume an, auch Schulen der Region werde geholfen. Dabei würden auch entgegen der Regierungslinie Minderheitensprachen gefördert.

Angesichts der Enthüllungen dürfte der Druck auf die Firmen nun wachsen.

Die Unternehmen könnten durchaus auch vor Ort Bedenken äußern, sagt Merics-Forscherin Drinhausen. "Sie haben durchaus eine gewisse Macht, indem sie zum Beispiel sagen, dass sie sich bei Verstößen aus der Region zurückziehen wollen, weil sie das sonst in ihren Herkunftsländern nicht rechtfertigen können."

Gründe für einen Rückzug gäbe es genug.

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