Energiepreise Greenpeace fordert Tempolimit für den Frieden

Tempo 30 als Standard für die Städte? Auch eine Verlängerung der Homeoffice-Pflicht könnte den Energieverbrauch senken
Foto: Sabine Gudath / imago images/Sabine GudathDeutschlands Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle aus Russland ist riesig – und teuer. Um sich aus dieser Lage zu befreien, schlägt die Umweltorganisation Greenpeace kurzfristig wirkende Maßnahmen vor. Dazu zählt laut einem Papier der Umweltschützer auch die Einführung eines temporären, auf die Dauer des Konflikts bezogenen Tempolimits: maximal Tempo 100 auf Autobahnen, Tempo 80 auf Landstraßen und Tempo 30 in Städten.
Folge: Die Begrenzung könnte den Verkehrsfluss verbessern, verbrauchsintensive Geschwindigkeitswechsel reduzieren und die Effizienz von Verbrennungsmotoren erhöhen. »Jede Tankfüllung, jede Heizöllieferung spült Geld in Putins Kriegskasse«, zitiert die Nachrichtenagentur dpa den Greenpeace-Verkehrsexperten Benjamin Stephan. »Diese unerträglichen Finanzhilfen für Putins Angriff auf die Ukraine ließen sich schon morgen deutlich reduzieren.«
Greenpeace hält deshalb auch einen Importstopp für russisches Öl notwendig, um dem Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine die finanzielle Basis zu entziehen. Unter anderem die USA haben solch einen Schritt bereits angekündigt, sind aber auch nicht so abhängig von der russischen Energie wie viele europäische Länder. Die Bundesregierung lehnt wegen der großen Abhängigkeit ein Embargo daher bisher ab, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte vor schweren Schäden für Deutschland.
Neben Ölimporten aus anderen Ländern könnten jedoch weitere Maßnahmen nötig sein, den Verbrauch kurzfristig zu senken. Greenpeace erwägt laut dem Bericht dafür auch eine Verlängerung der noch geltenden Homeoffice-Pflicht – zur Reduktion des Kraftstoffbedarfs. Auch über autofreie Sonntage oder den Verzicht auf Inlandsflüge wird nachgedacht.
Kältere Wohnung kann Verbrauch ebenfalls senken
Während ein »Tempolimit für den Frieden« bei aller Rücksicht auf noch ausstehende politische Debatten argumentativ schlüssig erscheint, ist fraglich, ob das auch für »Frieren für den Frieden« gilt.
Die Denkfabrik Agora Energiewende bringt laut dpa unter anderem auch diese kurzfristig umsetzbare Maßnahme vonseiten der Verbraucher ins Spiel, um angesichts der Abhängigkeit von russischen Importen den Gasverbrauch zu senken.
Der Deutschland-Direktor der Organisation, Simon Müller, sagte der Nachrichtenagentur zufolge: »Wir gehen davon aus, dass mit optimiertem Heizverhalten, das heißt einem Absenken der Raumtemperatur um 1-2 Grad und optimierten Heizungseinstellungen, der Energiebedarf von Haushalten um mindestens 10-15 Prozent reduziert werden kann.«
Um die strukturelle Abhängigkeit von russischen Gasimporten für die Wärmeversorgung nachhaltig aufzulösen, müssten demnach außerdem der Einbau von Wärmepumpen, die energetische Sanierung und der Anschluss an die Fernwärme massiv beschleunigt werden.
Im Falle eines Energieembargos dürfte die Erdgasversorgung tatsächlich die größte Herausforderung sein. Russische Importe machten für Deutschland 55 Prozent und für Europa 40 Prozent aus. Bei einem vollständigen Stopp der russischen Erdgaslieferungen seien kurzfristig eine weitere Erhöhung der Flüssiggas-Importe und ein Auffüllen der Erdgasspeicher über den Sommer unerlässlich.
Wird die Mehrwertsteuer auf Energie doch noch gesenkt?
Problematisch ist jedoch, dass die längst hohen Energiepreise Arme noch stärker als Reiche treffen . Nicht nur, weil letztere sich Heizen und Tanken vielleicht noch leisten können. Erstere leben auch noch häufiger in schlecht gedämmten Häusern mit veralteten Gasthermen und ohne Wärmepumpe oder müssen weite Strecken mit älteren, spritschluckenden Autos zur Arbeit zurücklegen. Sprich: Ihre Möglichkeiten zum weiteren Verzicht sind begrenzt. Das spürt inzwischen auch die Mitte der Gesellschaft.
Wohl auch deshalb nimmt die Debatte über Entlastungen der Haushalte wegen stark gestiegener Energiekosten wieder Fahrt auf. Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, zeigte sich angesichts der explodierenden Spritpreise allerdings auch offen für eine Senkung der Mehrwertsteuer für Benzin von 19 auf 7 Prozent, von der alle profitieren würden.
»Auch Mehrwertsteuersenkungen gehören zu möglichen Optionen«, sagte Scheer dem »Handelsblatt«. Zugleich gebe es noch »verhältnismäßig größere Herausforderungen im Wärmemarkt angesichts der Gaspreise«, weshalb die Abhängigkeit von fossilen Energien rasch überwunden werden müsse.
CSU-Verbraucherpolitiker Volker Ullrich verlangte laut der Zeitung eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Benzin auf sieben Prozent. Auch die Pendlerpauschale müsse weiter erhöht werden. Die Ampelkoalition hat einige Entlastungen bereits auf den Weg gebracht. Experten halten sie jedoch nicht für ausreichend.