Umschuldungsdebatte Griechenland warnt vor Dominoeffekt
Hahn zudrehen oder weiter Geld nach Griechenland pumpen? Die EU-Regierungschefs stehen vor einer schweren Entscheidung. Griechenland fürchtet für den Fall eines Zahlungsausfalls eine Kettenreaktion - und der frühere EZB-Chefvolkswirt Issing gar das Ende der Währungsunion.
Athen/Frankfurt am Main - Kurz vor dem Euro-Sondergipfel am Donnerstag bringen sich Gegner und Befürworter einer Umschuldung für Griechenland in Stellung. Die Regierung in Athen warnte vor den Folgen eines Zahlungsausfalls - sie fürchtet einen Dominoeffekt ähnlich wie in der vergangenen Finanzkrise.
"Unsere Schwäche ist unsere Stärke. Jeder erinnert sich gut an die Fehler, die die Bush-Regierung bei Lehman Brothers gemacht hat", sagte Finanzminister Evangelos Venizelos im griechischen Fernsehen. Experten werfen der ehemaligen US-Regierung vor, sie habe Lehman zu leichtfertig in die Pleite rutschen lassen - die Insolvenz der Bank war der Auslöser für die globale Finanzkrise.
"Keiner sollte den Dominoeffekt unterschätzen", sagte Venizelos mit Blick auf weitere kriselnde Euro-Länder wie Portugal und Irland. Griechenland habe noch keine Lösung akzeptiert, die einen teilweisen Zahlungsausfall einschließe.
Venizelos plädierte dafür, dass ein zweites Hilfspaket den Euro-Rettungsfonds EFSF sowie den EU-Rettungstopf EFSM stärker einbinden könnte. "Es kann ein Modell gefunden werden, das alle zufriedenstellt - die Mitgliedsstaaten, Deutschland eingeschlossen und die EZB."
Vor dem Sondergipfel werden vor allem zwei Modelle diskutiert: Schuldentausch und Schuldenrückkauf. Allerdings streiten sich die Experten, ob die Risiken beherrschbar wären. Bei den meisten Umschuldungsmodellen würden private Gläubiger ihr Geld entweder später oder nur noch zum Teil zurückerhalten. Diese, vor allem von Deutschland geforderte, Gläubigerbeteiligung ist umstritten. Denn falls eine Umschuldung für Anleger mit Verlusten verbunden ist oder unter Zwang geschieht, wollen die Rating-Agenturen dies als Zahlungsausfall bewerten.
Issing warnt vor "Freibrief" für Griechenland
Der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, warnte vor einem "GAU", sollte Griechenland im Falle einer Umschuldung Mitglied der Euro-Zone bleiben. "Bleibt Griechenland danach Mitglied in der Währungsunion und kann auf weitere Hilfen sowie Refinanzierung bei der EZB vertrauen, ist das Ende der Währungsunion eingeläutet", sagte Issing der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
"Griechenland wird seine Schulden nicht bedienen können. Simulationen, die etwas anderes zeigen, beruhen auf unrealistischen Annahmen. Ein massiver Schuldenschnitt ist also unvermeidlich", sagte er. Dürfe das Land danach aber in der Euro-Zone bleiben, erhalte es damit jedoch faktisch "einen Freibrief, mit der verhängnisvollen Politik der Vergangenheit fortzufahren". Daraus folge, dass nach einigen Jahren ein weiterer Schuldenschnitt notwendig würde. Eine weitere Folge wäre "die unvermeidliche Ausbreitung auf andere Mitgliedstaaten" und das wäre "der wirkliche GAU", sagte Issing.
"Dann wird eine Lawine losgetreten. Die Dynamik wird sich nicht mehr aufhalten lassen." Denn ein Land wie Irland werde dann seinen strikten Reformkurs nicht weiter fortsetzen. "Wie soll die Regierung ihren Bürgern erklären, dass weitere harte Einschnitte notwendig sind, wenn es denn so viel leichter geht, indem man sich über die drastische Reduzierung der Schulden der Probleme entledigen kann", sagte Issing.
Trichet warnt vor Zahlungsausfall
Zuletzt meldeten sich mehrere Wirtschaftsexperten zu Wort, die einen Schuldenerlass für Griechenland forderten. Auch im Finanzministerium werden Modelle für eine Reduzierung der griechischen Schuldenlast geprüft, über die bei dem Sondergipfel entschieden werden könnte.
Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, warnte eindringlich vor einem Zahlungsausfall Griechenlands. Die Regierungen müssten einen Weg finden, um dies zu unterbinden, sagte Trichet in einem Interview mit der estnischen Zeitung "Postimees". Ein "Kreditereignis, ein begrenzter Zahlungsausfall oder ein Zahlungsausfall" sollten vermieden werden. Die EZB hat in der Schuldenkrise massenhaft griechische Staatsanleihen gekauft, um die Märkte zu beruhigen. Zudem hält sie weitere Papiere, die Banken als Sicherheit für Leihgeschäft hinterlegt haben. Ein Zahlungsausfall würde ein tiefes Loch in die Bilanz der Notenbank reißen.
Während Trichet sich vehement gegen einen Schuldenerlass stemmt, hat EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny eine Verlängerung der Laufzeit griechischer Staatsanleihen als einen möglichen Weg zur Beilegung der Griechenland-Krise bezeichnet. "Es gibt einige Vorschläge, die einen sehr kurzlebigen teilweisen Zahlungsausfall beinhalten, die nicht wirklich erhebliche negative Konsequenzen hätten", sagte der österreichische Notenbankchef dem Fernsehsender CNBC.
Im österreichischen Fernsehen nannte er die Laufzeitverlängerung von Staatsanleihen als möglichen Weg. "Ich denke, die Frage einer Verlängerung der Laufzeiten der Anleihen ist relevant", sagte Nowotny. Durch diese Maßnahme könne Griechenland die aktuelle Krise bewältigen und die Verbreitung auf andere hoch verschuldete Länder der Eurozone könne vermieden werden. Es müssten allerdings Wege gefunden werden, die von den führenden Rating-Agenturen nicht als Zahlungsausfall eingestuft werden.
mmq/Reuters/dpa/dapd