Verbot von Leerverkäufen
Börsen reagieren allergisch auf Sanktionen
An den internationalen Finanzmärkten herrscht helle Aufregung: Wegen des deutschen Verbots von spekulativen Leerverkäufen büßten weltweit Aktien an Wert ein. Der Euro fiel zeitweise unter 1,22 Dollar, der Dax rutschte unter die 6000-Punkte-Marke.
Frankfurt am Main - Die europäischen Börsen sind am Mittwoch mit Verlusten in den Handel gestartet. Der EuroStoxx 50
fiel zeitweise um zwei Prozent auf 2639 Punkte. Der Leitindex Dax
verlor im frühen Handel 2,8 Prozent auf 5991 Punkte.
Der Euro
rutschte zeitweise auf ein Vier-Jahres-Tief von 1,2146 Dollar, erholte sich dann aber leicht und pendelte sich bei 1,22 Dollar ein. Grund für die Verluste sei die international nicht abgestimmte Regulierung mit dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe von Finanztiteln und Staatsanleihen in Deutschland. "Die Politiker haben noch nicht verstanden, dass fahrlässige Aussagen auf Kosten der gemeinsamen Währung gehen", erklärte Jeremy Stretch, Währungsanalyst bei der Rabobank.
Die Finanzaufsicht BaFin verbietet seit Mittwochnacht
besonders riskante Wetten von Investoren auf fallende Kurse. Dabei haben die Finanzaufseher speziell die ungedeckten Leerverkäufe in Aktien und Staatsanleihen aus Euro-Ländern im Visier. Ab Mittwoch, 0 Uhr, werden ungedeckte Leerverkäufe in Aktien der zehn bedeutendsten deutschen Finanzinstitute untersagt. Das Verbot gilt auch für ungedeckte Leerverkäufe von Staatsanleihen der Euro-Länder. Auch ungedeckte Credit Default Swaps (CDS), also Kreditausfallversicherungen ohne reale Grundlage, seien von dem Zeitpunkt an verboten.
Das Verbot hoch spekulativer Wetten von Investoren auf fallende Aktienkurse gilt nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unbefristet. Die Regelung bleibe solange in Kraft, bis auf europäischer Ebene eine einheitliche Vorgabe erreicht sei, sagte Merkel am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung im Bundestag.
Händler sprechen von einer Schockwelle
Schon an der New Yorker Börse war der Euro unter 1,22 Dollar gerutscht, nachdem die BaFin die ungedeckten Leerverkäufe verboten hatte. "Wenn die Anleger keine Bonds und Aktien verkaufen können, dann verkaufen sie eben den Euro", erklärte Deutsche-Bank-Händler Peter Thoma.
"Die Märkte wollten eigentlich entspannende Äußerungen zum Euro hören. Doch stattdessen nun das", sagte ein Händler. Ein anderer Börsianer sprach von einer Schockwelle, die sich durch die Märkte ziehe.
Auch die Commerzbank kritisierte die Verbote und nannte sie nutzlos: "Wir rechnen weder damit, dass sich die Renditedifferenzen der Peripherieländer nachhaltig einengen werden, noch damit, dass der Euro seine Schwächephase beendet", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Studie.
Am Markt habe sich schnell die Sichtweise durchgesetzt, dass es sich um eine Verzweiflungstat handele und sich die Schuldenkrise in Europa weiter verschlimmern könnte. "Denn: Die jüngste Zuspitzung der Schuldenkrise ist nicht auf Spekulanten, sondern vielmehr auf eine durchaus rationale Zurückhaltung bei Investoren und Banken zurückzuführen."