Ungleiche Vermögensverteilung Von Geburt an reich – oder für immer arm?
Wolfgang Grupp Junior, Unternehmenserbe
»Wir waren ja privilegiert, dass wir früh, ohne überhaupt was leisten zu müssen, im Internat sein durften, in London studieren durften, ja.«
Jessica Laue, Alleinerziehende
»Von Kindern, wo genügend Geld zu Hause ist – die haben’s allgemein leichter.«
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Die Reichen werden in Deutschland immer reicher – und die Armen können allein durch Arbeit kaum noch Vermögen aufbauen. Warum ist das Geld in Deutschland so ungleich verteilt? Und welche Antworten hat die Politik auf diese Entwicklung? In dieser Folge von Republik 21 reisen wir zu einer alleinerziehenden Mutter aus dem Niedriglohnsektor und zu zwei Erben eines großen Familienunternehmens, um zu erfahren: Wie empfinden diejenigen diese Kluft, die besonders arm oder eben besonders reich sind?«
Die Zahlen, auf die wir bei unserer Recherche stoßen, sind erst mal ziemlich ernüchternd:
Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besitzt in Deutschland nur 1,4 Prozent des Gesamtvermögens - während das reichste Prozent mehr als ein Drittel besitzt. Den Rest teilen sich die Mittelschicht und die Wohlhabenden.
Bonita Grupp und Wolfgang Grupp Junior gehören definitiv zum oberen Prozent. Sie sind die Kinder und künftigen Erben des bekannten Textilherstellers Wolfgang Grupp. Das Unternehmen Trigema im schwäbischen Burladingen beschäftigt 1200 Mitarbeiter. Über ihr privates Vermögen spricht die Familie nicht. Der Unternehmenswert wird auf mindestens 100 Millionen Euro geschätzt.
Wir treffen Bonita und Wolfgang Grupp im elterlichen Haus, um mit ihnen über ihre Rolle als Unternehmererben zu sprechen.
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Welchen Stellenwert hatte die Firma Trigema in Ihrem Leben?«
Wolfgang Grupp Junior, Unternehmenserbe
»Die Firma Trigema ist Teil meines Lebens. Wir sind damit aufgewachsen. Wir wohnen direkt gegenüber von der Firma und deswegen kennen wir kein Leben ohne die Firma. Und das ist auch sehr schön.«
Bonita Grupp, Unternehmenserbin
»Unsere Eltern sind ja beide im Unternehmen, haben uns das immer vorgelebt. Von Kind auf haben wir als kleine Kinder in der Firma gespielt. Wir haben in den Ferien gejobbt dort. Es war nie fremd.«
Als Kinder gingen sie auf ein Internat in der Schweiz, studierten später Wirtschaftswissenschaften in London. Für die Arbeit im Unternehmen der Eltern kehrten beide zurück ins ländliche Burladingen.
Wolfgang Grupp Junior
»Das müsste der Rücken sein, dann hat man da drunter irgendwo das Vorderteil, und dann gibt’s auch noch die Arme irgendwo...«
Heute kümmern sie sich um die Bereiche E-Commerce und Firmenkundenvertrieb.
Völlig anders sieht der Alltag bei Familie Laue aus. Sie steht am unteren Ende der Vermögens- und Einkommensskala in Deutschland. Mutter Jessica und ihre drei Kinder leben in einer Vierzimmer-Wohnung in Berlin-Marzahn.
Andy hat heute Geburtstag. Ein richtiges Geschenk konnte sich Jessica Laue für ihren Sohn nicht leisten: Er bekommt ein Kartenspiel.
Jessica Laue, Alleinerziehende
»Das haben wir jetzt günstig gekauft. Dass wir heute Abend so’n bisschen Wizard zocken können. Wenn schon keine Geburtstagsfeier, dann so was Kleines.«
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Wie ist denn das für dich, wenn du jetzt siehst, andere Kinder haben vielleicht Geburtstag und kriegen da irgendwie die Riesen-Playstation oder sowas...«
Andy Laue, Schüler
»Ich sag mal so, jeder kriegt das, was er halt verdient hat. Ich finde es wichtiger, dass Oma und so da sind.«
Jessica Laue bekommt mit ihrem Job als Buchhalterin bei einem Theater den Mindestlohn, derzeit 9,50 Euro pro Stunde. Mit 40 Stunden Arbeit in der Woche, kommt sie auf 1650 Euro brutto bzw. 1300 Euro netto im Monat. Zieht sie die Miete von 700 Euro ab sowie die weiteren monatlichen Fixkosten wie Strom, Telefon und Versicherungen, bleibt von ihrem Lohn so gut wie nichts übrig.
Deswegen muss Jessica Laue mit Arbeitslosengeld 2, also Hartz IV, aufstocken: das sind rund 400 Euro monatlich plus rund 220 Euro Kindergeld pro Kind und den Unterhaltsvorschuss. Davon kann sie leben.
Splitscreen:
Die Grupps und die Laues, zwei Familien deren Alltag unterschiedlicher kaum sein könnte – und für den Geld eine entscheidende Rolle spielt.
Wie ungleich das Verhältnis zwischen Arm und Reich in der Bundesrepublik ist, beschreibt die Journalistin und Autorin Julia Friedrichs in ihrem Buch »Working Class«. Während ihrer Recherchen hat sie mit unterschiedlichen Geringverdienern gesprochen, wie Reinigungskräften und Klavierlehrern.
O-Ton Julia Friedrichs, Autorin »Working Class«:
»Diesen Menschen ist es nicht gelungen, trotz boomender Wirtschaft, trotz fast Vollbeschäftigung Vermögen aufzubauen. Das liegt an niedrigen Löhnen, an niedrigen Zinsen und an explodierenden Immobilienkosten, an steigenden Sozialabgaben. Am anderen Ende aber haben wir Menschen, die Anteile von Unternehmen halten, die Aktien halten. Und für die lief es in den letzten 20, 30 Jahren richtig, richtig gut. Der deutsche Staat hat sich entschieden, bei Einkommen zwar umzuverteilen, also da tragen die, die viel verdienen, durchaus höhere Lasten. Und wir sehen, das bringt auch was. Beim Vermögen macht der Staat das nicht. Da hält er sich raus.«
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Julia Friedrichs sagt: Um das Geld gerechter zu verteilen, müsste man Vermögen und Kapital stärker besteuern. Eigentlich GIBT es sogar eine Vermögensteuer in Deutschland, die ist auch im Grundgesetz verankert. Seit 1997 ist sie aber außer Kraft gesetzt, weil das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Die Erhebung sei in dieser Form ungerecht. Immobilien müsse man z.B. stärker besteuern. Statt aber an der Steuer nachzubessern, hat die damalige Regierung unter Helmut Kohl sie einfach ausgesetzt. Und dabei ist es bis heute geblieben.
In drei Monaten ist Bundestagswahl und einige Parteien haben auch Pläne für eine Vermögensteuer: Die Grünen wollen damit 10 Milliarden Euro mehr einnehmen. Die SPD 24 Milliarden und die Linkspartei sogar 50 Milliarden. Letzteres halten Experten aber für nicht durchführbar. Union, FDP und AfD lehnen eine Vermögensteuer generell ab.«
Ein weiterer Hebel, mit dem der Staat für eine Umverteilung sorgen kann, wäre eine höhere und konsequentere Erbschaftsteuer. Aber wie viel wird in Deutschland eigentlich vererbt?
Genau weiß das niemand: Offiziell sind es rund 39 Milliarden Euro, die jährlich steuerpflichtig vererbt und verschenkt werden (Quelle: Statistisches Bundesamt 2019). Steuereinnahmen daraus: rund sieben Milliarden. Der Großteil der Erbschaften bleibt allerdings unversteuert. Hohe Freibeträge und vorzeitige Schenkungen an die nächste Generation machen das möglich. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt, dass tatsächlich wesentlich mehr vererbt wird: Nämlich 250 bis 400 Milliarden Euro im Jahr – also bis zu zehnmal so viel wie offiziell erfasst.
Selten werden enorm hohe Summen vermacht: Nur 0,1 Prozent aller Vererbungen liegen über fünf Millionen Euro. Oft handelt es sich hierbei um Unternehmen.
Auch Bonita und Wolfgang Grupp blicken einem solchen Erbe entgegen. Vater Wolfgang Grupp, 79, will die Geschäfte so lange weiterführen, wie er kann. Eines seiner Kinder soll dann das elterliche Unternehmen vermacht bekommen, inklusive reetgedecktem Wohnhaus direkt gegenüber. Der oder die jeweils andere soll eine Rolle im Unternehmen bekommen, sowie das Erbe der Mutter: mehrere Tausend Hektar Forstbetrieb in Österreich.
Wolfgang Grupp, Trigema-Chef
»Erben ist ja schön und Recht. Aber Erben heißt nicht nur Positives bekommen, sondern auch die Pflicht: Dieses Erbe kann man nutzen und es sich gut gehen lassen, aber man muss es auch in die nächste Generation weitergeben. Ich habe geerbt, hatte aber indirekt die Verpflichtung, es auch an meine Kinder weiterzugeben. Die Hypothek, die Verantwortung, was hier auf diesem Erbe liegt, ist natürlich so groß, dass ich sage, das andere Kind, das was anderes bekommt, ist freier.«
Die Firma Trigema gibt es seit 1919. Wolfgang Grupp leitet das Unternehmen in dritter Generation. Für die Geschwister war von klein auf klar, dass sie die Firma erben. Dass damit nicht nur Privilegien einhergehen, wurde ihnen früh auf den Weg gegeben:
Wolfgang Grupp Junior, Trigema-Erbe
»Ich muss auch was machen und kann nicht nur erben und sage dann: ›Okay, ich lehne mich zurück und mache gar nichts mehr. Nein, ich habe auch eine gewisse Verpflichtung da gegenüber. Und ich glaube, das ist ganz wichtig. Und ich glaube, das gibt es auch sehr, sehr oft. Wenn Sie hier kleinere mittelständische Unternehmen oder auch größere Unternehmen sehen, die gehen dieser Pflicht zu 100 Prozent nach.«
Bonita Grupp, Trigema-Erbin
»Ich denke, das macht Deutschland auch aus. Also wir sind ja geprägt durch den Mittelstand. Der Mittelstand ist der größte Arbeitgeber. Klar, es gibt immer wieder Nachfolgerprobleme, auch einfach, dass man keinen Nachfolger findet. Aber viele, die sich der Verantwortung annehmen, möchten es auch weiterführen und auch nachhaltig weiterführen.«
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Wie stehen Sie Erbschaften und Erbschaftsteuer gegenüber? Denken Sie, das ist jetzt gerecht, wie sie gerade ist? Sollte sie höher sein?«
Bonita Grupp, Trigema-Erbin
»Ich denke einfach, es darf nicht dazu führen, dass dann Erben sagen: ›Okay, so kann ich den Betrieb nicht weiterführen, weil ich müsste keine Ahnung wie viele Schulden aufnehmen, um den Betrieb in der nächsten Generation weiterzuführen. Das Unternehmerische muss sich lohnen. Das darf nicht zurückstecken, weil ich meine, es hängen viele Arbeitsplätze dran. Und wenn man dann natürlich die Leute abhält und sagt ›Okay, wir wandern ab‹, ist wie gesagt im deutschen Staat auch nicht gedient und der Gesellschaft auch nicht.«
Das ist auch ein häufiges Argument der Politik. Darum ist sie in solchen Fällen sehr vorsichtig und verlangt bei Unternehmensvererbungen häufig ohnehin sehr wenig oder kein Geld. Das DIW schätzt, dass der Staat bei den wenigen großen Vererbungen rund 6 Milliarden Euro mehr einnehmen könnte.
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Wenn man sich die Positionen der Parteien anguckt, wird beim Thema Erbschaftsteuer bis jetzt nur die Linke konkret: Sie plant eine Reform, durch die der Staat bis zu zehn Milliarden Euro mehr einnehmen könnte. Die SPD bezeichnet die Erbschaftsteuer immerhin als reformbedürftig und ungerecht. Auch die Grünen halten eine Reform für denkbar. Die anderen Parteien haben sich bislang nicht geäußert.«
Einmal etwas vererben zu können, dieses Ziel würde auch Jessica Laue in Berlin-Marzahn gern erreichen.
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Würden Sie sich auch eine höhere Vermögens- oder Erbschaftsteuer wünschen? Dass die Reichen stärker besteuert werden?«
Jessica Laue, Alleinerziehende
»Ich sage mir, wer das Glück hat, in eine reiche Familie geboren zu werden und gegebenenfalls gut zu erben, finde ich, den muss man nicht extra dafür bestrafen. Der hat das Glück gehabt. Das ist schön.«
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Aber er hat nichts dafür gemacht.«
Jessica Laue, Alleinerziehende
»Ja, aber die Eltern. Also ich denke mal, irgendeiner in der Familie wird schon was dafür getan haben, dass das Geld da ist. Ich finde, da muss man jetzt nicht sagen. Die müssen mehr abdrücken.«
Mit dieser Meinung steht Jessica Laue keinesfalls allein da. Bei vielen entsteht der Eindruck, sie müssten beim Vererben zum zweiten Mal etwas an den Staat abgeben.
Jessica Laue, Alleinerziehende:
»Wenn du mehr verdienst, hast du ja schon mehr Abgaben und ich finde, das sollte reichen. Wer das Glück hat, reich zu erben, für den freut es mich, würde mich auch freuen. Und da noch mal die Steuer – warum?«
Auch in der politischen Debatte wird das »Problem der Doppelbesteuerung« immer wieder als Argument gegen die Erbschaftsteuer angeführt. Ein Scheinargument, findet Julia Friedrichs.
Julia Friedrichs, Autorin und Journalistin
»Wenn ich mit meinem schon versteuerten Einkommen z.B. eine Immobilie kaufe, dann zahle ich darauf auch noch mal Steuern. Oder wenn ich ein Brötchen kaufe, zahle ich auch noch mal Steuern. Nur beim Thema Erbschaften wird so getan, als wäre das etwas komplett Ungeheuerliches. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass wir vielfach denken, das Geld wechselt gar nicht den Besitzer, sondern es fließt ja quasi mit dem Blut mit. Das sind aber keine Strukturen, die zu einem demokratischen Land passen, sondern das ist eher ein feudalistisches Denken, fast. Dass Ansprüche vererbt werden, das kennen wir eigentlich eher aus Monarchien.«
Das Prinzip der Erbschaftsteuer ist auch in den gesellschaftlichen Schichten eher unpopulär, die von mehr Umverteilung profitieren könnten. Das liegt auch an einer weit verbreiteten Wunschvorstellung:
Julia Friedrichs, Autorin
»...dass so eine Erbschaft was ist, worauf manche auch noch irgendwie hoffen, dass das passieren könnte. Und dann läuft alles ganz anders, fast wie ein Lottogewinn. In den allermeisten Fällen passiert das nicht. In den allermeisten Fällen erben Menschen, denen es ohnehin schon wirtschaftlich sehr, sehr gut geht. Und dass man arm ist und dann eine Erbtante in Kanada auftaucht, kommt quasi nicht vor.«
Auch Jessica Laue träumt von einem besseren Leben, von mehr Platz, von etwas, was sie ihren Kindern einmal überlassen kann. Ihr jetziger Job, so glaubt sie, bringt sie trotz geringem Lohn diesem Traum einen kleinen Schritt näher.
Jessica Laue, Alleinerziehende
»Mit meinem jetzigen Arbeitsvertrag darf ich sogar einen Kredit bei der Bank aufnehmen. Das heißt, um uns was Besseres als Familie schon mal bieten zu können, bin ich auf der Suche nach einem günstigen Grundstück mit einem Häuschen. Es würde mich freuen, wenn ich später den Kindern sowas mal vererben kann. Oder auch später, wenn ich Enkelkinder habe. Das ich sagen: ›Mensch, Kids, eure Enkelkinder können wochenends zu mir kommen. Wir haben hier einen Pool, ihr könnt baden, ihr könnt machen. Dit wär mal schön.«
Ein Traum, der immer weniger erreichbar wird. Jessica Laue sucht in Berlin oder im näheren Umland nach einer Immobilie. Mit ihrem Netto-Einkommen von rund 1300 Euro ist eine Finanzierung ohne Erbschaft oder Startkapital dort nahezu unmöglich.
In der Nähe von Großstädten, also dort, wo es Arbeit gibt, sieht es fast überall so aus in Deutschland.
Die steigenden Immobilienpreise tragen dazu bei, dass die Ungleichheit wächst: Geringverdienende können sich kaum noch Eigentum aus eigener Kraft leisten, kaum noch Vermögen aufbauen, kaum noch gesellschaftlich aufsteigen.
Erben ist ein Privileg. In der Familie Grupp zeigt man sich seit jeher dessen bewusst: Faire Löhne zu zahlen gehört zur Unternehmensphilosophie. Gelernte Näherinnen und Näher bekommen hier zwischen zwölf und 18 Euro pro Stunde. Bei Trigema spricht man von der »Betriebsfamilie«.
Wolfgang Grupp Jr., Unternehmenserbe
»Mahlzeit!«
Mitarbeiterin
»Ich hab gehört, Sie gehen in den Urlaub!«
Wolfgang Grupp Jr., Unternehmenserbe
»Ich gehe in den Urlaub – wo haben Sie denn das jetzt schon wieder gehört?«
Mitarbeiterin
»Ich musste ja was sticken für Sie.«
Wolfgang Grupp Jr., Unternehmenserbe
»Haben Sie das gestickt? Sehr gut!«
Mitarbeiterin
»Diese Wildsau oder was...«
Wolfgang Grupp Jr., Unternehmenserbe
»Nee! Warzenschwein!«
Mitarbeiterin
»Ja, genau!«
Wolfgang Grupp Junior, Unternehmenserbe
»Wenn ich jetzt dieses Beispiel von der Dame aus Marzahn nehmen könnte. Also, man muss ja dann auch dieser Dame in die Augen schauen können. Da sag ich auch immer, die Politik kann in einer gewissen Weise immer Rahmenbedingungen geben. Aber es liegt natürlich auch am einzelnen Unternehmer, zu gucken, dass seine Mitarbeiter auch in so eine Situation nicht kommen. Diese Dame arbeitet 40 Stunden. Davon muss sie auch leben können.«
Und was sagt die direkt Betroffene zum Thema Mindestlohnerhöhung?
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Glauben Sie, das würde etwas bringen, wenn man den jetzt noch mal aufstockt?«
Jessica Laue, Alleinerziehende
»Finde ich, müsste man sehen. Weil ich weiß nicht, wie viele Firmen den überhaupt zahlen könnten und nicht, dass es heißt: ›Um dir den Mindestlohn zu zahlen, muss ich einen anderen aber entlassen‹, wo ich mir sage das ist dann auch schwierig in der jetzigen Zeit.«
Ich bin überrascht. Jessica Laue könnte allein von ihrem Mindestlohn nicht leben und hat trotzdem Verständnis für die Arbeitgeber, die so wenig zahlen. Kann das richtig sein?
Julia Friedrichs, Autorin
»Ein Job, den es nur gibt, weil jemand so wenig Geld bekommt, dass er dann am Ende des Monats davon nicht leben kann und dann zum Staat geht, um sich Geld zu holen, um davon zu leben – das ist ja kein tragfähiges System. Das haut ja auf Dauer nicht hin. Und im Alter reicht das ohnehin nicht. Und dann muss der Staat ja dann die Kosten übernehmen.«
Rachelle Pouplier, DER SPIEGEL
»Wäre es also an der Zeit, den Mindestlohn anzuheben? Schaut man sich hierzu die Parteipositionen an, so will Die Linke die deutlichste Erhöhung durchsetzen, nämlich von 9,50 auf 13 Euro. SPD und Grüne drängen ebenfalls auf eine deutliche Erhöhung, und zwar auf 12 Euro. Die CDU/CSU sieht die Verantwortung zur Höhe des Mindestlohns bei der Mindestlohnkommission aus Arbeitgeber und –nehmervertretern, hat aber zusammen mit der SPD den Mindestlohn eingeführt.
FDP und AfD wollen den Mindestlohn von aktuell 9,50 Euro beibehalten, da sie eine Abschaffung für unpopulär halten.
Niedrige Löhne, steigende Immobilienpreise, geringe Besteuerungen von Vermögen und Erbschaften. All das begünstigt, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander geht. Die Politik müsste da nachbessern – gerade, was Mindestlohn und Vermögensteuer angeht. Das nehme ich nach der Recherche für diesen Film mit. Welchen Weg die Bundesrepublik einschlagen wird, werden wir nach der Bundestagswahl sehen.
In der nächsten Folge von Republik 21 fragen wir uns, wie würde dieses Land aussehen, wenn sich ausschließlich junge Menschen um den Klimaschutz kümmern würden. Bis nächstes Mal.«