Milliarden-Lücke Kauder und Schäuble lehnen neues Griechenland-Paket ab

Protest in Athen: "Nicht schon wieder ein neues Programm"
Foto: JOHN KOLESIDIS/ REUTERSHamburg - Der Chef der Unionsfraktion, Volker Kauder, lehnt weitere Zugeständnisse an Griechenland ab. "Die Griechen müssen einhalten, was sie zugesagt haben", sagte er dem SPIEGEL. "Da gibt es keinen Spielraum mehr, weder beim Zeitrahmen noch in der Sache selbst. Denn das wäre schon wieder ein Bruch von Vereinbarungen."
Für ein drittes Griechenland-Hilfspaket sehe er in der Koalition "wenig Chancen". Die Griechen müssten "irgendwann die Frage beantworten: Strengen wir uns vielleicht noch mehr an, oder verlassen wir den Euro?".
Kauder warnte zudem davor, "mitten in der Krise mal eben das Grundgesetz zu ändern". Die Verfassung biete "noch jede Menge Spielraum, mittelfristig die europäische Integration voranzutreiben". Kauder: "Ich will keine Vereinigten Staaten von Europa." Der Fraktionschef plädierte für eine unabhängige Behörde, die darüber wachen solle, ob die nationalen Haushalte die europäischen Stabilitätsregeln einhielten. Diese Aufgabe könnte "eine spezielle Kammer des Europäischen Gerichtshofs oder der Europäische Rechnungshof" übernehmen.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellt sich neuen Hilfsmaßnahmen in den Weg. Schäuble will die wachsende Finanzierungslücke in Griechenland nicht mit einem neuen Hilfsprogramm beheben. "Wir können nicht schon wieder ein neues Programm machen", sagte Schäuble. Es gebe Grenzen und man könne nicht verantworten, "Geld in ein Fass ohne Boden zu werfen".
Schäuble kritisierte die Debatte über eine zerfallende Euro-Zone. "Wenn der Euro nicht zusammenbleibt, zahlen wir den höchsten Preis." Auch Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker lehnt solche Gedankenspiele ab. Eine Vorbereitung von Banken und Versicherungen sei nicht notwendig, sagte Juncker der "Tiroler Tageszeitung". "Es wird nicht passieren. Es sei denn, Griechenland verletzt alle Auflagen und hielte sich an keine Vereinbarung." Erst im Falle einer totalen Verweigerung bei Haushaltskonsolidierung und Reformen würde man sich mit dieser Frage beschäftigen müssen, sagte Juncker.
Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hat indes vor unabsehbaren Folgen eines griechischen Austritts aus dem gemeinsamen Währungsgebiet gewarnt. "Wenn wir ein Land mit drei Prozent der europäischen Gesamtverschuldung nicht in der Euro-Zone halten können, dann wird uns niemand die Lösung der großen Probleme zutrauen", sagte Oettinger der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Zugleich kritisierte Oettinger Äußerungen des bayerischen Finanzministers Markus Söder (CSU), der einen Ausschluss Griechenlands verlangt hatte. "Wir sollten Griechenland, wenn es irgend geht, an Bord halten und keineswegs ein Exempel statuieren", sagte Oettinger. "Diese Wortwahl ist im Zusammenhang mit der Europäischen Union und mit Griechenland absolut unpassend."
Nach SPIEGEL-Informationen ist die Finanzierungslücke der Athener Regierung allerdings noch größer als bislang angenommen. Trotz des Schuldenschnitts und zwei Rettungspaketen fehlen dem klammen Staat nicht 11,5 Milliarden Euro, wie von ihr eingeräumt, sondern bis zu 14 Milliarden Euro. Das hat die Gläubigertroika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission unlängst festgestellt.
Griechenland steckt in einer Zwickmühle: Das Land bekommt seine Schulden kaum in den Griff, weil viele Menschen ihre Steuern nicht begleichen - aber auch weil der harte Sparkurs die Wirtschaft einengt. Wie viel Geld Griechenland tatsächlich braucht, soll Anfang September ermittelt werden - dann besucht die Troika das nächste Mal Griechenland.
Die Euro-Retter versuchen derzeit die Lücke ohne ein neues Hilfspaket zu schließen. Die Regierung von Ministerpräsident Antonis Samaras hatte dafür neue Sparmaßnahmen versprochen. Doch die reichen nach Angaben der Troika nicht aus. Schon wenn man von einem Bedarf von 11,5 Milliarden Euro ausgehe, sei rund ein Drittel des Bedarfs ungedeckt, heißt es nach SPIEGEL-Informationen in dem Bericht.
Um Griechenland zu entlasten, erwägen die Geberländer, die Zinsen für ihre Hilfskredite zu senken - oder ganz zu stunden. Über weitere Maßnahmen sind sich die Länder in der Euro-Zone uneins. Nach Angaben der "Welt am Sonntag" will Frankreich mit anderen südeuropäischen Staaten, Athen notfalls neue Hilfen zur Verfügung stellen - Deutschland, Finnland, Estland und die Slowakei lehnen ein drittes Rettungspaket dagegen ab.
Die griechischen Staatsschulden sind kürzlich erneut über die Marke von 300 Milliarden Euro gestiegen. Wie das Finanzministerium in Athen am Freitag mitteilte, waren es Ende Juni 303,5 Milliarden Euro - gut 23 Milliarden Euro mehr als drei Monate zuvor. Damit ist ein guter Teil des Schuldenschnitts von Ende 2011 schon wieder verpufft.