Währungskrise Wer ist schuld, falls der Euro scheitert? Deutschland!

Euro-Münze: Die Griechenland-Frage strapaziert den europäischen Zusammenhalt
Foto: CorbisHamburg - Es ist eine unwirkliche Szenerie, die sich derzeit vor uns ausbreitet: Unwirklich groß sind die Risiken, um die es geht. Unwirklich hoch sind die Summen, die in Rede stehen. Unwirklich polarisiert sind die politischen Positionen - zwischen den EU-Mitgliedstaaten und zunehmend auch innerhalb der Gesellschaften in den jeweiligen Ländern.
- In Griechenland muss die Regierung vor dem Volk geschützt werden.
- In den Niederlanden und in Finnland treiben rechtspopulistische Parteien die Regierungen vor sich her.
- Auch in Deutschland hat die Kanzlerin im Bundestag keine sichere Mehrheit hinter sich.
Eine solche Zuspitzung der Lage schien noch vor wenigen Jahren undenkbar.
Seit drei Jahren wird gerettet - erst die Banken, dann die Staaten -, doch anstatt in der Krise zusammenzustehen, haben sich die Europäer auseinanderdividieren lassen. Es steht unwirklich viel auf dem Spiel: Ein Auseinanderbrechen der Währungsunion ist zum realistischen Szenario geworden. Vergiftet wie das politische Klima inzwischen ist, scheint das Scheitern der Europäischen Union, der Idee der europäischen Einigung überhaupt - und damit der europäischen Nachkriegsordnung - möglich.
Fieberhaft versuchen die Regierungen in diesen Tagen, einen Zusammenbruch abzuwenden: Vorvergangenes Wochenende tagten die Finanzminister (ohne Ergebnis), am Freitag war Nikolas Sarkozy bei Angela Merkel in Berlin (mit schmalem Kompromiss), am Donnerstag und Freitag dieser Woche kommen die Staats- und Regierungschefs zum Gipfel zusammen. Noch hat das europäische Projekt Chancen - aber nicht mehr viele. Das räumen Akteure in vertraulichen Gesprächen auch ein.
Deutschland vergibt historische Chance
Wenn der Euro scheitert, das ist längst klar, dann werden wir Deutsche am Ende als Hauptsschuldige dastehen. Und zwar zu Recht.
Die Bundesrepublik war 2009 und 2010 plötzlich in der historischen Position, eine Art europäische Hegemonialmacht zu sein. Als einziger großer Euro-Staat war sie ökonomisch handlungsfähig, mit wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstruktur und relativ niedriger Verschuldung. Deutschland hätte als "benevolent hegemon", als gütige Vormacht, agieren können - agieren müssen. Ähnlich wie die USA nach dem Zweiten Weltkrieg hätte die Bundesrepublik frühzeitig und großzügig Geld bereitstellen müssen - verbunden mit der Schaffung neuer, mächtiger europäischer Institutionen, inklusive eines neuen Verfassungsvertrags. Angela Merkel hätte Europa in eine gemeinsame Zukunft führen müssen - und können.
Stattdessen verharrte die nationale Politik im Kleinklein von Landtagswahlkämpfen und populistischer Kein-Geld-für-schlappe-Südeuropäer-Rhetorik. Statt die Grundlinie westdeutscher Politik seit Konrad Adenauer fortzuführen, die darin bestand, die europäischen Nationen in einem fortschreitend engeren institutionellen Rahmen zu verankern, sind wir auf dem Weg, zur Balance-of-Power-Politik zurückzukehren. Im Vordergrund steht nicht mehr das gemeinsame Schicksal der Europäer, sondern der Ausgleich nationaler Interessen.
Oder was man so für seine nationalen Interessen hält: Dass die Bundesregierung darauf besteht, private Gläubiger Griechenlands mit zur Kasse zu bitten, ist reine Symbolpolitik. Ein Schuldenschnitt würde Griechenland überhaupt nicht helfen. Im Gegenteil: Das Land wäre auf viele Jahre von den Kapitalmärkten abgekoppelt und würde jede Chance verlieren, sich in absehbarer Zeit wieder selbst mit Krediten versorgen zu können.
Außerdem nimmt die deutsche Regierung in Kauf, dass die Europäische Zentralbank in ernste Bedrängnis kommt. Die Spekulation wird angeheizt, was die Krise weiter verschärft. Dennoch beharrt die Bundesregierung auf einem Schuldenschnitt: aus prinzipiellen Gründen - vor allem aber, weil es viele im Regierungslager gibt, die finden, man müsse den Finanzmärkten (und den Griechen sowieso) mal zeigen, wo der Bartel den Most holt.
Griechen-Bashing kommt besser an
Die Bundesregierung hat in der Krise agiert, als lebten wir noch in den neunziger Jahren, als gäbe es ernsthafte Alternativen zum heutigen Währungsclub, als seien die Finanzsysteme nicht so eng verbunden, dass wir im Zweifelsfall alle miteinander unterzugehen drohen. Nein, es gab von Anfang an keine Alternative dazu, die Transfers innerhalb des Euro-Gebiets auszubauen. Einen Ausbau der politischen Union inklusive. Aber das ist unpopulär. Griechen-Bashing kommt besser an.
Jetzt kommt die Quittung. Deutschland ist in der unmöglichen Situation, viele hundert Milliarden Euro an Risiken eingegangen zu sein und trotzdem am Pranger zu stehen. Wir gelten als "Euro-Nazis" (so zu lesen in griechischen Tageszeitungen), nicht als gütige Führungsmacht. Dass es so weit kommen konnte, ist nicht gerade ein Ausweis höchster Staatskunst - um es zurückhaltend zu formulieren.
Statt unerschütterliche Solidarität zu demonstrieren, testen die Märkte den Zusammenbruch des Euro. Und dieses Szenario wird zunehmend wahrscheinlicher. Nicht weil es irgendjemand anstreben würde, sondern weil sich inzwischen so viele Akteure zu einer Lösung zusammenfinden müssen, dass sie womöglich nicht zusammenfinden werden. Scheitern aus Erschöpfung - nicht weil man einen besseren Plan B hätte, sondern weil man es einfach nicht mehr hinbekommt.
Falls der Euro zerbricht, wird Deutschland am Pranger stehen - als diejenige Nation, die den Euro hätte retten können, es aber aus kurzsichtigem Eigeninteresse nicht getan hat. Der damit verbundene Schaden lässt sich kaum in Geld aufwiegen.