Ware aus Westjordanland Supermärkte kennzeichnen "jüdische" Produkte

Sonderlabel für Lebensmittel aus jüdischen Siedlungen: In britischen Supermärkten sollen Produkte aus der von Israel besetzten Westbank extra gekennzeichnet werden. Palästinenserverbände jubeln, die Regierung in Jerusalem fürchtet einen Boykott.
Tomatenanbau in der Nähe des Westjordanlands: Extra-Label für die Produkte?

Tomatenanbau in der Nähe des Westjordanlands: Extra-Label für die Produkte?

Foto: ? Nayef Hashlamoun / Reuters/ REUTERS

Hamburg - Dieser Appell dürfte für Unmut sorgen: Die britische Regierung hat die Supermärkte des Landes aufgefordert, Lebensmittel, die aus jüdischen Siedlungen in Ost-Jerusalem und dem Westjordanland stammen, gesondert zu kennzeichnen. Die Verpackungen sollen die Aufschrift "Produkt aus israelischer Siedlung" tragen, meldet der "Guardian". Großbritannien wolle die Herkunft der Waren transparenter machen.

Die israelische Regierung kritisierte die Entscheidung. Dem Bericht zufolge fürchtet sie, die neue Kennzeichnung erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass britische Konsumenten die Produkte der Siedler boykottieren.

Fast eine halbe Million Israelis leben in Siedlungen im besetzten Westjordanland und im Ostteil Jerusalems. Ein großer Teil der Siedler im Westjordanland sind national-religiöse Juden, die das Palästinensergebiet als Land der biblischen Verheißung und damit Land ihrer Vorväter sehen. Die Siedlungsfrage ist einer der zentralen Streitpunkte in der Nahostpolitik. Die EU fordert einen endgültigen Baustopp für die jüdischen Siedlungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem.

Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums sagte dem "Guardian", er fürchte, israelische Waren könnten beim Verkauf nun benachteiligt werden. Es sehe ganz danach aus, als ob die britische Regierung jenen nachgebe, deren Ziel es sei, israelische Produkte zu boykottieren. Ein Vertreter der israelischen Siedler bezeichnete die Entscheidung sogar als "neuesten feindseligen Schritt" Großbritanniens.

Einfuhrzölle für Siedler-Produkte?

Die britische Regierung versuchte zu beschwichtigen. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte dem "Guardian": "Wir lehnen jede Art von Boykott Israels ab." Das wäre nicht im Sinne des Friedensprozesses. Dennoch wies er darauf hin, dass die israelischen Siedlungen "illegal" seien und eine "Hürde für den Frieden" darstellten.

Die britische "Solidaritätsbewegung für Palästina" begrüßte die neue Richtlinie: "Wir haben schon viele Anrufe bekommen von Leuten, die dachten, sie würden der palästinensischen Wirtschaft helfen, wenn sie Produkte aus dem Westjordanland kaufen", sagte ein Sprecher der Organisation der Zeitung. "Aber dann realisierten sie, dass sie der Wirtschaft in den illegal besetzten Gebieten Israels helfen."

Das EU-Recht verlangt, dass Produkte aus Israel und jene aus den besetzten Gebieten klar voneinander unterschieden werden müssen. Bisher konnten die britischen Kunden jedoch nicht feststellen, ob Obst, Gemüse und Kräuter aus israelischen oder palästinensischen Betrieben stammen. Beide tragen die Aufschrift: "Produkt aus dem Westjordanland". Auch in Deutschland kritisieren Menschenrechtsverbände seit längerem, dass Waren aus den besetzten Gebieten häufig das Siegel "Made in Israel" tragen. Palästinensische Organisationen rufen zum Boykott dieser Waren auf.

27 Firmen produzieren derzeit in den Siedlungen Exportgüter, neben Lebensmitteln auch Kosmetik, Arzneimittel, Plastik-, Metallprodukte und Textilien. Wie die neu gekennzeichneten Waren vom Zoll behandelt werden, ist noch unklar. Für Produkte aus Israel gelten bevorzugte Handelsbedingungen mit der EU, der Import israelischer Waren ist zollfrei. Auch palästinensische Waren aus dem Westjordanland, Gaza und Ost-Jerusalem sind zollfrei oder besitzen ermäßigte Einfuhrzölle. Für Produkte aus den Siedlungen gelten noch keine Abkommen mit der EU.

lah/dpa
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