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Austauschprojekt zur Euro-Krise: "Vorher kannte ich keine Griechen"

Foto: Lisa Crinon/ DFJW/OFAJ

Jugendprojekt Europas Krisenkinder gehen auf Klassenfahrt

Europa ist Streit, so scheint es. Viele fühlen sich in der Krise abgehängt. Studenten aus Griechenland, Frankreich und Deutschland wagten nun ein Experiment: reden, diskutieren. Heraus kam zunächst jede Menge Zoff - und schließlich eine politische Bewegung.

Spar-Nazis gegen Pleite-Griechen: Was derzeit in Europa als politischer Dialog durchgeht, hat mit Verständigung oft wenig zu tun. Deutsche schimpfen über vermeintlich reformunfähige Südeuropäer, Franzosen über die angebliche Exportschwemme aus Deutschland.

Gibt es bei all der Zwietracht eigentlich noch so etwas wie einen gemeinsamen europäischen Geist? Zumal bei der jungen Generation, für die viele Errungenschaften der EU längst selbstverständlich sind - vom Frieden bis zur Reisefreiheit.

Um diese Frage zu klären, wurden jetzt meinungsstarke Studenten aus Deutschland, Frankreich und Griechenland aufeinander losgelassen - und sie mussten auch noch die ganze Zeit über die Euro-Krise diskutieren. Das deutsch-französische Jugendwerk (DFJW) rief in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Demokratie und Versöhnung in Südosteuropa das Projekt "Euro(pa)-Krise ohne Ende" ins Leben. Über ein halbes Jahr trafen sich rund 20 Studenten mehrfach und verbrachten insgesamt drei Wochen in Berlin, Paris und Thessaloniki.

Die jungen Europäer sprachen mit Politikern, EU-Beamten sowie Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern. Vor allem aber sprachen sie miteinander. Und sie zogen ihre eigenen Schlüsse, ob das europäische Projekt trotz Krise erhaltenswert ist.

Leicht war die Verständigung am Anfang nicht, denn auch ideologisch kamen die Teilnehmer aus unterschiedlichen Welten: Linke, Konservative, sogar Euro-Skeptiker waren unter ihnen. Vor dem ersten Treffen in Berlin hatten sie sich darauf vorbereitet, die üblichen ideologischen Schlachten zu schlagen. Doch beim letzten Treffen in Thessaloniki zeigten sich die Unterschiede vor allem in einem Punkt: Die Deutschen ließen sich von der griechischen Sonne zu einem Bad im Mittelmeer hinreißen - und büßten prompt mit Schnupfen.

Sie seien sich jetzt in vielen Punkten näher, erzählen die Teilnehmer. Die 25-jährige Kleoniki Pouikli etwa fühlte sich anfangs als eines der "Problemkinder Europas". Inzwischen aber wissen die Deutschen, wie gut qualifiziert und ambitioniert ihre griechischen Altersgenossen sind. "Es ist erschreckend, so viel Talent ungenutzt zu sehen", sagt die 25-jährige Sabina Dross.

Anfangs hätten Klischees wie Angela Merkel als Hitler-Erbin auch in der Gruppe geherrscht, erzählt der Franzose Antoni Fournier. "Aber am Ende des Seminars haben wir eingesehen, dass diese Sichtweise nicht stimmt." Auch der Deutsche Cihan Mutlu sagt, die Krise habe nichts mit nationalen Eigenheiten zu tun - sondern damit, "dass es im heutigen kapitalistischen System Gewinner und Verlierer gibt". (Fotos und ausführliche Berichte der Teilnehmer gibt es in der Bilderstrecke.)

Bei rund der Hälfte der Teilnehmer ging die Verständigung am Ende sogar so weit, dass sie jetzt gemeinsam eine politische Bewegung gründen wollen. "Demos Europa" soll sie heißen, und schon der griechisch-deutsche Name ist als Symbol der Annäherung gedacht. Laut Mitgründer Fournier ist das Ziel, "allen vergessenen Europäern eine Stimme zu geben, vor allem jungen Menschen. Wir glauben nicht, dass Arbeitslosigkeit, endlose Sparmaßnamen und ein wachsendes demokratisches Defizit unsere Bestimmung sind." Die Bewegung soll die Debatte im Vorfeld der Europawahlen im Mai 2014 beeinflussen. Ob sie sogar selbst als Partei antritt, wird noch diskutiert.

Schon jetzt hat das Projekt aus Sicht von Frank Morawietz vom DFJW eines bewiesen: Eine offene Diskussion ohne Tabus ist auch in Krisenzeiten möglich. Die Studenten lieferten "das Beispiel für eine vernünftige öffentliche Debatte über die Euro-Krise, die für uns alle von entscheidender Bedeutung ist".

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