Bankenkrise Was Zypern vom Kollaps Islands lernen kann

Eine Insel mit überdimensioniertem Bankensektor steht vor dem Kollaps, ausländische Sparkunden bangen um ihr Geld. War da nicht was? Stimmt, in Island sah es 2008 ähnlich aus wie heute auf Zypern. Doch der Fall der kleinen Insel im hohen Norden macht auch Hoffnung.
Von Julian Kutzim
Zyprische Bürger protestieren: Am Montag könnte die EZB den Geldhahn zudrehen.

Zyprische Bürger protestieren: Am Montag könnte die EZB den Geldhahn zudrehen.

Foto: YORGOS KARAHALIS/ REUTERS

Hamburg - Zypern ringt mit seinen Rettern um die richtige Strategie. Das vom Staatsbankrott bedrohte Land will einen Zugriff auf die Sparguthaben seiner Bürger unbedingt verhindern, die Euro-Länder hingegen bestehen darauf. Nur so könne Zypern den geforderten Eigenanteil von 5,8 Milliarden Euro für seine Rettung aufbringen.

Der Zugriff auf Spareinlagen wäre ein Präzedenzfall für die Euro-Zone, genauso wie die geplanten Kapitalverkehrskontrollen: Bürger sollen an Bankautomaten nur noch begrenzt Geld abheben können. Außerdem ist im Gespräch, Spareinlagen vollständig einzufrieren.

Was in der Euro-Zone neu ist, hat es am Rande Europas alles schon mal gegeben. Es ist noch gar nicht so lange her: 2008 war das Inselreich Island in einer ähnlichen Lage - und reagierte mit all dem, was in Zypern gerade diskutiert wird. Ein Vergleich der beiden Staaten zeigt viele Gemeinsamkeiten auf, aber auch einige Unterschiede:

Die zyprischen Geldhäuser sind das eigentliche Problem des Landes, sie halten Vermögenswerte, die ungefähr das Achtfache der zyprischen Wirtschaftsleistung betragen. Islands Bankensektor war kurz vor dem Zusammenbruch noch aufgeblähter. Die Bilanzsummen der drei größten Banken Islands überstiegen das Bruttoinlandsprodukt des Inselstaates um mehr als das Zehnfache.

Dazu kam es, weil die isländischen Geldhäuser Landsbanki, Glitnir und Kaupthing innerhalb weniger Jahre massiv expandierten. Das rapide Wachstum finanzierten sie durch Interbankenkredite und Konten für Auslandskunden, die mit phantastischen Zinssätzen lockten. Die durchschnittlichen Zinsen auf Spareinlagen schossen laut Statistik der isländischen Zentralbank allein zwischen Januar und Dezember 2006 von 2 auf 4,5 Prozent. Bis zum Bankenkollaps 2008 kletterten sie sogar auf rund sechs Prozent.

Auch Zypern lockte mit hohen Zinsen

Der Blick auf Zyperns Zinsen zeigt, dass auch dort hohe Renditen lockten. Seit der Bankenkrise 2008 erhielten Sparer in Zypern laut EZB-Statistik satte Zinsen, im Januar 2013 boten Banken zuletzt 4,53 Prozent Zinsen auf Einlagen mit Laufzeiten unter einem Jahr. Zum Vergleich: Der deutsche Sparer erhielt zur selben Zeit für sein Geld nur mickrige 0,92 Prozent.

Die massive Überschuldung wurde für Islands Banken ebenso zum Verhängnis wie für die zyprischen. Als die US-Bank Lehman Brothers im September 2008 zusammenbrach, erhielten die schon wackeligen isländischen Banken infolge der Marktunruhen keine Kredite mehr. Als Erstes musste die drittgrößte Bank Glitnir von der Regierung gerettet werden, noch im September übernahm die isländische Zentralbank stellvertretend für den Staat 75 Prozent. Kurze Zeit später folgten auch die beiden anderen großen Banken. Anfang Oktober 2008 wurde die Landsbanki per Notstandsgesetz von der isländischen Finanzaufsicht übernommen, zwei Tage später war die Kaupthing Bank, Islands größtes Geldinstitut, an der Reihe. Nur eine Finanzspritze des Internationalen Währungsfonds (IWF) über zwei Milliarden Dollar rettete den Inselstaat vor dem Kollaps, auch die nordischen Länder und Polen beteiligten sich an der weiteren Rettung.

Island stimmte gegen die Entschuldung von Ausländern

Die geplanten Kapitalverkehrskontrollen in Zypern sind für die Europäische Union einzigartig, seit Gründung der Gemeinschaft hat noch kein Mitgliedsland die Abhebung von Spareinlagen längere Zeit begrenzt oder gar eingefroren. In Island hingegen wurden einfach Auszahlungen und Konten eingefroren und die Geldinstitute zerschlagen oder umstrukturiert. Gerettet wurden nur die für Island wichtigen Kernstücke der Banken und inländischen Guthaben bis 20.000 Euro. Sparer aus dem Ausland gingen leer aus.

Dabei hatten die Kaupthing Bank mit ihrer Online-Tochter Kaupthing Edge und die Landsbanki mit ihrer Online-Tochter Icesave massiv Kapital im Ausland angeworben, mit Zinsen von teilweise mehr als sechs Prozent. Während Kaupthing vor allem in Deutschland auf Kundenfang ging, war Icesave in Großbritannien und den Niederlanden aktiv. Rund 400.000 Briten und Niederländer hatten dort Geld eingezahlt, zusammengenommen knapp sieben Milliarden Euro. Die Regierungen der beiden Länder sprangen für ihre Sparer in die Bresche und forderten Geld von Island zurück. Ende Januar dieses Jahres wurde die Rückzahlungsklage vor dem Gericht der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) jedoch abgelehnt. Zuvor sprach sich die isländische Bevölkerung in zwei Referenden dagegen aus, ausländische Anleger zu entschädigen.

Natürlich gibt es einen erheblichen Unterschied: Island ist kein Mitglied des Euro, auch nicht der Europäischen Union. Bei der Krisenbewältigung half dem Inselsaat unter anderem die drastische Abwertung der isländischen Krone. Dadurch stiegen zwar private Schulden, die in ausländischen Währungen aufgenommen worden waren. Gleichzeitig verbilligten sich aber auch die Exporte, was Island konkurrenzfähiger machte. Fisch- und Energiewirtschaft profitierten von der Abwertung, auch der Tourismus erlebte dadurch einen Aufschwung. Diese Möglichkeit hat Zypern nicht - zumindest nicht im Euro.

Inzwischen sieht es für Island besser aus. 2011 wuchs die Wirtschaft des Landes erstmals wieder, OECD und IWF loben die Entwicklung des Inselstaates. Die Rating-Agenturen haben isländischen Anleihen wieder respektable Noten verpasst, der Staat kann sich eigenständig am Kapitalmarkt refinanzieren, ein großer Teil der Schulden wurde vorzeitig getilgt. Der Inselstaat im hohen Norden hat vorgemacht, dass Bankenrettung um jeden Preis nicht der einzige Lösungsansatz ist. Vielleicht kann sich Zypern ein Beispiel daran nehmen.

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