Demografischer Wandel Ökonomen fordern viel mehr Zuwanderer

Viele Branchen suchen verzweifelt nach Mitarbeitern, der Arbeitskräftemangel verschärft sich drastisch. Forscher sehen nur einen Ausweg: viel mehr Zuwanderung. Sie haben auch eine Zahl berechnet.
Derzeit in vielen Sektoren ein häufiges Bild: Betriebe suchen händeringend nach Personal (hier: in Mecklenburg-Vorpommern)

Derzeit in vielen Sektoren ein häufiges Bild: Betriebe suchen händeringend nach Personal (hier: in Mecklenburg-Vorpommern)

Foto: Jens Büttner / dpa

Ohne eine deutlich steigende Zuwanderung aus dem Ausland stehen den Betrieben in Deutschland nach Experten-Berechnungen im Jahr 2035 weitaus weniger Arbeitskräfte zur Verfügung. Nur bei einer Nettozuwanderung von etwa 400.000 Personen pro Jahr gelänge es, den Rückgang des Arbeitskräfteangebots durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung auszugleichen, erklärte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am Dienstag.

Dies halten die Forscher aber für kaum erreichbar, da die Zuwanderung aus den EU-Staaten zurückgehe. Zudem zeige sich, dass mit mehr Zuzügen auch die Abwanderung steige: »Ohne deutlich niedrigere Fortzugsraten dürfte ein so hoher Nettozuzug über längere Zeit (...) schwer erreichbar sein.«

Sieben Millionen Beschäftigte weniger

Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit (BA) geht stattdessen von einer Nettozuwanderung von 100.000 Personen jährlich aus. »Langfristig betrachten wir diesen Wert als realis­tisch«, schreiben die Forscher. Durch den wachsenden Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung gehe das Arbeitskräfteangebot bis 2035 von derzeit 47,4 Millionen Personen voraussichtlich um 7,2 Millionen zurück.

Bei einer Nettozuwanderung von 100.000 Personen jährlich sowie einer nochmals steigenden Erwerbstätigkeit von Frauen und Älteren bliebe der Rückgang bis 2035 auf etwa 3,0 Millionen begrenzt. Bis 2060 fehlten demnach aber 6,1 Millionen Arbeitskräfte.

Mehr Bildungsmaßnahmen könnten die Folgen eines sinkenden Arbeitskräfteangebots nach Ansicht der Forscher dämpfen. Damit einhergehende höhere Produktivität der Beschäftigten könne längerfristig dazu beitragen, die negativen Folgen zu mildern. Auch das 2020 in Kraft getretene Fachkräfte-Einwanderungsgesetz gehe in die »richtige Richtung, dürfte aber unzureichend sein«.

SPD, Grüne und FDP haben bei ihren Koalitionsverhandlungen zur Bildung der neuen Bundesregierung bereits vereinbart, dass sie dieses Gesetz »praktikabler ausgestalten« wollen. Zudem soll ein Punktesystem zur Gewinnung ausländischer Fachkräfte eingeführt werden. Gut integrierten Geflüchteten, die selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen, soll ein »Spurwechsel« zu einem rechtssicheren Aufenthaltsstatus ermöglicht werden.

beb/Reuters
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