Freier Handel Die Weltwirtschaft macht dicht
Der Welthandel war auch schon mal beliebter: Diesen Eindruck haben gerade wieder Großdemonstrationen gegen die Freihandelsabkommen TTIP und Ceta in zahlreichen deutschen Großstädten vermittelt. Nach Ansicht von Wirtschaftsvertretern ist der Trend aber nicht auf Deutschland beschränkt. Vielmehr ist über die vergangenen zehn Jahre in Volkswirtschaften weltweit die Offenheit gegenüber dem freien Handel gesunken.
Zu diesem Ergebnis kommt der Global Competitiveness Report des Weltwirtschaftsforums, der am Mittwoch erscheint und SPIEGEL ONLINE vorab vorlag. Die Untersuchung beruht unter anderem auf der Befragung von fast 15.000 Unternehmenschefs in 141 Ländern. Im Vergleich zu Werten vor zehn Jahren nahmen diese die Wirtschaft in Ländern aller Entwicklungsstufen als weniger offen wahr.
Der Trend wurde den Autoren zufolge in erster Linie durch sogenannte nicht tarifäre Handelshemmnisse wie etwa unterschiedliche Normen verursacht. Die Entwicklung sei bedenklich, weil die wirtschaftliche Offenheit eines Landes unmittelbar mit Wirtschaftswachstum und Innovationspotenzial zusammenhänge. "Der sinkende Offenheitsgrad in der Weltwirtschaft stellt für einen neuen Aufschwung und zukünftigen Wohlstand ein Risiko dar", sagt Forumschef Klaus Schwab.
Zum weltweit wettberbsfähigsten Land kürt der Report bereits zum achten Mal in Folge die Schweiz, wie schon im Vorjahr gefolgt von Singapur und den Vereinigten Staaten. Deutschland wurde trotz einer leicht gestiegenen Gesamtpunktzahl von den Niederlanden überholt und findet sich nun auf dem fünften Platz.
Besonders hoch wird Deutschland unter anderem in Bezug auf seine Kreditwürdigkeit, seine Exportstärke und den Entwicklungsgrad seiner Wirtschaft eingestuft. In allen drei Kategorien landet die Bundesrepublik auf dem dritten Platz. "Deutschland ist besser darin geworden, gut ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuziehen", lobt die am Report beteiligte Ökonomin Silja Baller zudem. "Auch die Eröffnung eines Unternehmens geht schneller als noch vor einem Jahr."
Wachsende Sorge vor Cyberattacken?
Der Bericht konstatiert jedoch auch eine Reihe leichter Verschlechterungen, etwa bei der Infrastruktur oder der wahrgenommenen Stärke deutscher Institutionen. "Wir vermuten, dass dies mit der gestiegenen Sorge vor Cyberattacken zusammenhängt", sagt Baller. Auf die Frage, was sie bei ihren Geschäften als größte Hindernisse erleben, nannten die 103 befragten deutschen Firmenchefs am häufigsten Steuern.
Nun könnte man in diesem Ergebnis ein Signal vermuten, schließlich debattiert die deutsche Politik vor der nächsten Wahl über Steuererleichterungen. Doch offensichtlich sind Unternehmensbosse bei diesem Thema nicht ganz leicht zufrieden zu stellen: Auch in Irland nannten sie Steuersätze als zweitgrößtes Hindernis - dabei hat Dublin bekanntlich mit einer rekordverdächtig niedrigen Körperschaftsteuer und speziellen Steuersparmodellen über Jahre Konzerne wie Apple gepäppelt.