Nach dem Volksentscheid Wie es mit dem Hamburger Netzrückkauf weitergeht

Umspannwerk Jenfeld: Ergebnis des Volksentscheids ist bindend
Foto: Georg Wendt/ dpaHamburg - Nach dem Volksentscheid zur Verstaatlichung der Hamburger Energienetze leitet die Landesregierung die ersten Schritte zur Vorbereitung eines möglichen Rückkaufs ein. Die SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft werde dem Senat am Mittwoch die dafür nötigen Aufträge erteilen, sagte Fraktionschef Andreas Dressel am Montag in der Hansestadt.
Eine knappe Mehrheit der Hamburger hatte sich am Sonntag parallel zur Bundestagswahl für einen Antrag der Initiative "Unser Hamburg, unser Netz" ausgesprochen, der auf die völlige Verstaatlichung der Strom-, Gas- und Fernwärme-Netze zielt. Für den Vorstoß stimmten nach monatelangen öffentlichen Diskussionen dem am Montag vorgelegten vorläufigen Ergebnis zufolge 50,9 Prozent, dagegen waren 49,1 Prozent. Das Ergebnis des Volksentscheids ist bindend.
Seit 2009 ist Hamburg mit einer Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent an den Gesellschaften für die drei regionalen Energienetze beteiligt. Mehrheitseigner sind die Energiekonzerne Vattenfall und Eon. Die Stadt zahlte den Unternehmen damals rund 560 Millionen Euro für die Anteile.
Die in der Initiative "Unser Hamburg, unser Netz" versammelten Vereinigungen - darunter die Umweltschutzorganisation Robin Wood und die Verbraucherzentrale Hamburg - forderten dagegen einen Rückzug der Energieriesen und eine Rekommunalisierung des gesamten Netzbetriebs. Der von ihnen angestrengte Volksentscheid verlief letztlich erfolgreich.
Verschiedene Zeitpläne für die drei Netze
Der Sieg der Netze-Initiative ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer Verstaatlichung der Netze. Diese kann nicht einfach politisch erzwungen werden. Der Hamburger Senat ist jetzt lediglich gezwungen, "alle notwendigen und zulässigen Schritte" zu unternehmen, um eine Verstaatlichung herbeizuführen.
In einem ersten Schritt wird der Senat nach Angaben Dressels von der eigenen SPD-Mehrheit nun damit beauftragt, mit Vattenfall und Eon über einen Rückkauf zu verhandeln. Sollte dies nicht klappen, müsse der Beteiligungsvertrag von 2009 zunächst rückabgewickelt werden.
Die Konzessionen für den Betrieb von Strom- und Gasnetzen müssen laut Rechtslage ohnehin in einem offenen und diskriminierungsfreien Verfahren vergeben werden, sobald sie auslaufen. Für die drei Energienetze gelten verschiedene Zeitpläne:
- Beim Stromnetz drängt die Zeit: Bereits bis Mitte Januar 2014 müssen Bewerber ihr Interesse bekundet haben. Allerdings genügt es in diesem Stadium, mehr oder weniger eine Firmenhülle an den Start zu bringen. Das eigentliche Konzessionsverfahren beginnt danach und dauert voraussichtlich bis Ende 2014.
- Beim Gasnetz muss die Stadt im ersten Schritt den bestehenden Konzessionsvertrag mit E.on kündigen - der auch dann allerdings erst Ende 2016 auslaufen würde.
- Ein Sonderfall ist das Fernwärmenetz, das im Gegensatz zu den anderen beiden Energienetzen weitaus weniger reguliert ist. Hier müssen wohl bereits in einem ersten Schritt die Gerichte bemüht werden, denn der Konzern und die Stadt befinden sich ohnehin seit Jahren in einem Rechtsstreit, der zuletzt lediglich ruhte: Die Stadt geht davon aus, dass sie das Recht hat, das Netz und die zugehörigen Anlagen und Kraftwerke zum Ende 2014 zurückzunehmen. Vattenfall bestreitet diese Auslegung des Konzessionsvertrags. Gewinnt die Stadt diese juristische Klärung, ist der weitere Weg zur Übernahme voraussichtlich einfacher: Denn bei der Fernwärme besteht formal keine Ausschreibungspflicht.
Der schwedische Konzern kündigte am Montag zudem an, sich trotz des Volksentscheids in dem demnächst anlaufenden Verfahren zur Neuvergabe der Konzession für das Stromnetz zu bewerben. In einem transparenten Verfahren rechne sich Vattenfall "gute Chancen" aus, teilte dessen Chef Tuomo Hatakka mit.
Auch wenn sich die Stadt in allen Konzessionsentscheidungen durchsetzen sollte - wie teuer der Rückkauf wird, steht noch nicht fest. Laut Gesetz können Vattenfall und E.on einen "angemessenen Preis" verlangen. Zwar haben Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt gemeinsam Kriterien für diese Preisfindung festgelegt - diese besitzen aber keinen Gesetzesrang. Bei bisherigen Rückkäufen der Energienetze haben die Kommunen daher oft einen aus ihrer Sicht überhöhten Preis bezahlt - um ihn dann in oft jahrelangen Verfahren vor Gericht zurückzufordern.