
Steueroasen: Wohin die Datenspuren führen
Fiskalpolitik So lässt sich Steuerbetrug weltweit bekämpfen
Hamburg - Ausgerechnet Uli Hoeneß. Der Präsident des FC Bayern München, der sich sozial stets engagierte und den Fußball-Legende Karl-Heinz Rummenigge einmal als "Vater Teresa vom Tegernsee" bezeichnete. Ausgerechnet er soll Millionen Euro ins Ausland geschafft haben, um weniger Steuern zu zahlen. Und womöglich hat er auch noch einen Teil seines Geldes ganz vor dem Fiskus versteckt.
Die Ikone des FC Bayern, bekannter und beliebter als die Bundeskanzlerin, ist plötzlich als Kapitalflüchtling verschrien, steht plötzlich im Verdacht, ein Steuerhinterzieher zu sein.
Der Fall Hoeneß hat das Zeug zum nächsten Steuerskandal à la Klaus Zumwinkel, dem Ex-Post-Chef, der ebenfalls als Saubermann galt, bis er 2008 als millionenschwerer Steuerhinterzieher aufflog. Der Fall Hoeneß provoziert öffentliche Erregung, könnte Ermittlungen gegen andere Fußball-Promis auslösen, und schon jetzt stilisieren Regierung und Opposition ihn zum Politikum.

Uli Hoeneß: Ein Leben für den FC Bayern
Die CSU beeilt sich, Selbstverständliches zu betonen: Jeder, egal wie berühmt er ist, werde nach denselben Kriterien behandelt und bestraft, verspricht sie. (Was, wie man im Falle Zumwinkel gesehen hat, so selbstverständlich nicht ist.) Die SPD sieht im Fall Hoeneß den Beweis, dass es richtig war, das deutsch-schweizerische Steuerabkommen zu blockieren. Mit diesem hätten Kapitalflüchtlinge klammheimlich alte Schulden begleichen können. Hoeneß wäre wohl nie aufgeflogen.
Tatsächlich zeigt der Fall Hoeneß viel mehr. Er steht für ein gesellschaftliches Grundproblem. Regierungen in aller Welt, so auch die deutsche, gefallen sich darin, Scheinerfolge gegen Fiskusbetrüger zu feiern. In Wahrheit tun sie wenig, um das globale Problem der Kapitalflucht konsequent zu bekämpfen.
Deals mit Verbrechern statt konsequenter Steuerpolitik
Seit einigen Jahren schon gehen die meisten Erfolge gegen Steuersünder auf Datenlecks zurück. Auf Hehlerware, die von Banken-Servern geklaut und für Millionen Euro an den Staat verkauft wurde. Im April löste der Kauf einer Daten-CD mal wieder Hunderte Razzien aus. Und als ein großes Datenleck eine Welle von Medienberichten über die Mechanismen des globalen Fiskusbetrugs auslöste, dauerte es keine 24 Stunden, ehe Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble forderte: Her mit den Daten! Hoeneß hat sich ebenfalls erst angezeigt, nachdem eine Fülle von Daten über Steuerkonten in der Schweiz in die Hände deutscher Fahnder geraten war.

Offshore-Leaks: Prominente lagern ihr Geld in Steueroasen
Das Prinzip ist stets dasselbe: Die deutsche Regierung dealt mit Datendieben, um Steuerbetrüger zu fangen. Auf politischer Ebene indes geht der Kampf gegen Steuerverbrecher, wenn überhaupt, in Zeitlupe voran. Für einen konsequenten Kampf gegen die Steuer-Gangster müsste sich auf nationaler und internationaler Ebene viel ändern. Es herrscht weitgehend Konsens, was zu tun wäre. Doch ist das, was wirklich helfen würde, politisch kaum durchsetzbar.
Was wirklich helfen würde
Innerhalb Deutschlands ist die Jagd auf Fiskusbetrüger derzeit Sache der Bundesländer, doch die haben kaum Interesse, besonders viele Steuerflüchtlinge zu schnappen. Denn das Geld, das die Landesregierung zusätzlich eintreiben würde, wandert zum großen Teil in den Länderfinanzausgleich. Erst wenn mehr Einnahmen im jeweiligen Bundesland verblieben, gäbe es einen Anreiz, die Fahndung zu verschärfen. Dazu wären größere Eingriffe in die Geldströme zwischen den Bundesländern nötig - ein politisch heikles Unterfangen, an das sich die Regierung nicht herantraut.
Und das ist nur die nationale Ebene - auf der allein sich das Problem der Kapitalflucht ohnehin nicht lösen lässt. Viel wichtiger noch ist eine international eng abgestimmte Steuerpolitik, die es Regierungen ermöglicht, ihre Forderungen länderübergreifend durchzusetzen. Und da wird es erst richtig kompliziert. Da bringt die internationale Staatengemeinschaft mit Mühe und Not einige Scheinerfolge zustande.
Vor gut zwei Wochen vereinbarten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Polen, künftig alle Auslandskonten automatisch an die jeweiligen Heimat-Finanzämter zu melden. Am vergangenen Wochenende beteuerten die 20 größten Industrieländer (G20), man wolle den automatischen Informationsaustausch zum weltweiten Standard erheben.
Klingt gut, wird aber allein wenig nützen. "Es schließen sich vor allem Länder zusammen, die sich von Steuerhinterziehung geschädigt sehen", sagt Ralph Brügelmann, Experte für öffentliche Haushalte, Finanz- und Steuerpolitik vom arbeitgebernahen Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Um dem Problem auf den Grund zu gehen, müsste man aber die Täter bekämpfen. Sprich: die Steueroasen und die Fachleute, die Anlegern helfen, ihr Geld in Steueroasen zu deponieren."
Zählebige Steueroasen
Innerhalb Europas gibt es erste Erfolge. So hat die Schweiz auf Druck der USA ihr Bankgeheimnis gelockert. Und in Luxemburg verlieren Steuerflüchtlinge 2015 ihre Anonymität. Die Kapitalflucht ist damit aber mitnichten gestoppt.

Steueroasen: Wohin die Datenspuren führen
Berichten zufolge verlegen viele Finanzprofis ihr Geld bereits aus der Schweiz in Länder wie Singapur. Solchen Steuerparadiesen ist noch weit schwieriger beizukommen. Im Falle Singapurs könnte man theoretisch Strafzölle erheben, um das Land zu fiskalpolitischen Zugeständnissen zu bewegen. Davor aber schrecken viele Akteure zurück. Zu groß scheint das Risiko, einen weltweiten Handelskrieg zu provozieren.
Andere Steuerparadiese sind selbst gegen solche Worst-Case-Maßnahmen immun. Orte wie die Seychellen zum Beispiel, die kaum Industrie haben. Worauf sollte man hier Strafzölle erheben? Auf Fische und Kokosnüsse?
Hinzu kommt ein machtpolitisches Ungleichgewicht. In letzter Konsequenz können derzeit nur die USA ihre fiskalpolitischen Interessen im Ausland vertreten. Nur sie sind als Finanzplatz groß und unverzichtbar genug, um etwa die Schweiz zu zwingen, die Daten dubioser amerikanischer UBS-Kunden herauszurücken.
Der Finanzplatz Europa dagegen hat keine einheitliche Position. Es gibt Länder wie Deutschland, die den Kampf gegen Steueroasen vorantreiben wollen - und Länder wie Großbritannien oder Irland, die bremsen, da ihre eigene Wirtschaft von Steuerprivilegien und der Zusammenarbeit mit fragwürdigen Finanzplätzen profitiert.
"Länder wie Deutschland sind aber zu klein, um ihre Interessen auf internationaler Ebene allein durchzusetzen", sagt IW-Experte Brügelmann. Und sie können in vielen Fällen auch nicht auf die Hilfe der USA hoffen. "So hat die US-Regierung kaum Interesse, gegen Steueroasen in der Karibik vorzugehen, weil viele US-Konzerne dort ihre Gewinne aus Auslandsgeschäften deponieren."