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Doku über den Bundesfinanzminister: "Nenn mich Wolfgang"

Foto: SWR/ECO Media/Knut Muhsik

Schäuble-Porträt in der ARD Müde, mürrisch, mächtig

Der deutsche Finanzminister ist einer der wichtigsten Politiker Europas. Doch wie mächtig ist Wolfgang Schäuble wirklich? Ein TV-Porträt zeigt einen Mann, der zwar eigensinnig wirkt, sich am Ende aber stets der Nummer eins beugt.

Wolfgang Schäuble kennt sein Image ziemlich genau: "Ich bin ein alter, etwas müder und manchmal mürrisch aussehender Mensch", sagt der Bundesfinanzminister zu Beginn eines 75-minütigen Filmporträts, das die ARD am kommenden Montag zeigt. "Da kann ich nicht mit so einem Popstar konkurrieren."

Gemeint ist natürlich Griechenlands Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, der sich über die erste Jahreshälfte mit seinem deutschen Amtskollegen ein Duell lieferte. An dessen Ende war Varoufakis zurückgetreten, CDU-Mann Schäuble galt vielen im Ausland als Inbegriff des hässlichen Deutschen. Denn nur unter dem Eindruck eines von Schäuble ins Spiel gebrachten Euro-Austritts stimmte die griechische Regierung umstrittenen neuen Reformauflagen zu.

Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Monate erzählt der renommierte Dokumentarfilmer Stephan Lamby in "Schäuble - Macht und Ohnmacht" das politische Leben des 72-Jährigen. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob Schäuble in der Eurokrise eher Treiber oder Getriebener ist.

Von den Krisengipfeln und Schäubles Reisen hat Lamby viele exklusive Aufnahmen mitgebracht. Auch wenn er sie gelegentlich mit unheimlicher Musik unterlegt, wird Schäuble dabei nicht zum Buhmann. Als solchen stellt ihn inzwischen Rivale Varoufakis dar, der öffentlich fast nur noch von "Doktor Schäuble" spricht, als ginge es um einen Filmbösewicht. Vor Lambys Kamera erzählt der Grieche, Schäuble habe ihm gleich zu Anfang gesagt: "Nenn mich Wolfgang."

Der Film stimmt aber auch keinen Heldengesang auf Schäuble an. Wer ihn nur noch als arrivierten Finanzminister kennengelernt hat, lernt Schäubles wechselvolle Karriere kennen. Höhepunkt war der von ihm ausgehandelte Einheitsvertrag, Tiefpunkt zweifellos die CDU-Parteispendenaffäre. In ihrem Verlauf verlor Schäuble nicht nur das Amt des Parteivorsitzenden an Angela Merkel. Er musste auch einräumen, vom Rüstunglobbyisten Karlheinz Schreiber 100.000 Mark in bar entgegengenommen zu haben.

Über die Affäre kam es zum Bruch mit Schäubles früherem Mentor Helmut Kohl, auf dessen Nachfolge als Bundeskanzler er gehofft hatte. Doch Kohl klebte bis zuletzt am Amt, weil nur er die Einführung des Euro in Deutschland habe durchsetzen können. Enttäuscht wurde später auch Schäubles Hoffnung, Angela Merkel werde ihn zum Bundespräsidenten machen. Das habe sie ihm aber nie versprochen, sagt er im Film. Es folgt ein typischer Schäuble-Satz: "Soweit war das auch in Ordnung - oder auch nicht."

"Ich muss zu der Sitzung, geben Sie mir irgendwas"

Die politischen Niederlagen aber verblassen im Vergleich zu Schäubles persönlicher Katastrophe: Am 12. Oktober 1990 wird er von einem psychisch Kranken angeschossen und ist fortan auf den Rollstuhl angewiesen. "Ich will so nicht mehr leben", sagte Schäuble laut seiner Tochter Christine Strobl kurz nach dem Attentat.

Zwar lernte er dann doch, mit der Behinderung zu leben, aber es gab Rückschläge. Im Jahr 2010 litt Schäuble monatelang unter einer schlecht verheilten Narbe. Wegen einer Nachtsitzung zu Griechenland reiste er nach Brüssel, brach dort aber zusammen. "Ich muss da in die Sitzung, geben Sie mir irgendwas", sagte Schäuble nach eigener Erinnerung im Krankenhaus.

Schlüsse aus solchen Anekdoten drängt Lamby dem Zuschauer nicht auf, doch sie liegen nahe: Wo Schäuble selbst an seine körperlichen Grenzen gehen muss, wird er nicht besonders nachsichtig gegenüber anderen sein. Schon in der ersten Minute des Films sieht man den Minister in zwei Situationen tief durchatmen - endlose Krisengipfel entsprechen nicht gerade dem, was Ärzte einem Rollstuhlfahrer im Rentenalter empfehlen.

Trotzdem dominiert Schäuble bis heute die Treffen mit seinen Amtskollegen, wie mehrere von ihnen im Film bestätigen. Kohl ließ ihn nicht Kanzler werden, Merkel nicht Bundespräsident. Trotzdem war er spätestens mit seiner Grexit-Drohung zeitweise der wichtigste Politiker Europas.

Hat Schäuble dafür seine Grenzen überschritten? "Du hast kein Mandat für einen Grexit", hielt Varoufakis angeblich Schäuble entgegen. Der habe einräumen müssen, dass sein Plan für Griechenlands Euro-Austritt nicht von Merkel gestützt werde. Schäuble will sich dazu nicht weiter äußern. "Das mag alles sein, wir haben viel besprochen."

Am Ende entscheidet doch Merkel

Problematisch war Schäubles Rolle während des Showdowns in Brüssel schon deshalb, weil er de facto auch Außenpolitik betrieb. Doch den für Diplomatie üblichen Apparat hat ein Finanzminister nicht, wie Schäuble an einer Stelle bemerkenswert offen einräumt. Auf die Frage, ob ihn der Ausgang des griechischen Referendums über die Sparauflagen überrascht habe, antwortet Schäuble da. "Ehrlich gesagt, ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht. Weil ich überhaupt kein Gefühl habe, wie die Stimmung in Griechenland war und ist."

Dass Schäubles Manöver der Kanzlerin zeitweise zu viel wurden, zeigte sich Ende Mai: Damals bat sie die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, und den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, zu einem Krisengipfel ins Kanzleramt, obwohl Schäuble die beiden gerade beim G7-Finanzministergipfel in Dresden empfangen hatte. Lagarde und Draghi seien "ein bisschen zögerlich" gewesen, sagt Schäuble, aber natürlich habe er die Kanzlerin unterstützt.

Das passt in ein Verhalten, das Filmemacher Lamby als Muster von Schäubles gesamtem politischen Leben ausgemacht hat: Er betont seine Eigensinnigkeit, beugt sich am Ende aber stets der politischen Nummer eins. So war es auch am Mittwoch, als Schäuble seiner Partei im Bundestag die Zustimmung zum dritten Hilfspaket für Griechenland empfahl. Dabei sind neue Konflikte absehbar: Auch der IWF dringt nun auf einen Schuldenschnitt - den Schäubles früherer Gegenspieler Varoufakis von Anfang an gefordert hatte.

Hielt Schäuble dies wirklich nur für "etwas seltsame Vorstellungen", wie er einmal im Film sagt? Allein diese Frage wäre eine weitere Dokumentation wert.


"Schäuble - Macht und Ohnmacht", Montag, 21.30 Uhr, ARD

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