Wundermittel "Short Sale" USA wollen drohenden Immobilien-Crash wegzaubern

Siedlung in Orlando, Florida: Die Zutaten für eine neue Krise sind beisammen
Foto: JEFF HAYNES/ AFPHamburg - Robert Shiller hatte über Monate nur gute Nachrichten zu bieten, doch jetzt macht er sich Sorgen. Der Ökonom der Universität Yale hat den Case-Shiller-Index mitentwickelt, der die Entwicklung der Häuserpreise in den USA misst. Shiller wacht damit über den Herzschlag der US-Konjunktur, denn ohne eine Erholung der Häuserpreise hat die US-Wirtschaft keine Chance, aus der Krise zu kommen.
Immerhin: Seit April 2009 haben sich die Preise stabilisiert, der Index weist wieder nach oben. Doch gleichzeitig spricht Shiller von einem "steigenden Risiko, dass die Lage wieder schlechter wird". Dazu passen auch die jüngsten Daten des S&P/Case-Shiller-Instituts: Im Januar sind die Preise für Häuser erneut gesunken. Zwar lag der Rückgang in den 20 größten Ballungsgebieten auf Jahressicht nur bei 0,4 Prozent, allerdings ist es der vierte Monatsrückgang in Folge.
Die US-Regierung hat seit Herbst 2008 mehr als eine Billion Dollar investiert, um den Immobilienmarkt vor dem Kollaps zu bewahren. Ein Rückschlag am Häusermarkt wäre das Letzte, was die seit einigen Wochen wieder anziehende US-Konjunktur und die boomenden Börsen gebrauchen können. Denn fallende Hauspreise treiben immer mehr US-Bürger in die Schuldenfalle und sind damit Gift für den Konsum.
Gleich mehrere Dinge bereiten dem Ökonom Shiller Sorgen. Ende April laufen in den USA die Steueranreize für Hauskäufer aus. Bis zu 8000 Dollar "Tax Credit" erhält ein Immobilien-Erstkäufer bei Abschluss des Kaufvertrages vom Staat - ähnlich der deutschen Abwrackprämie dürfte diese Subvention die Nachfrage noch einige Wochen anheizen. Doch dann kommt das Loch.
Zutaten für einen neuen Sturm
Weitaus bedrohlicher für den Markt ist der Ausstieg der US-Notenbank. Die Federal Reserve hat 16 Monate lang massiv Hypotheken aufgekauft und damit die Hypothekenzinsen auf dem niedrigsten Niveau seit rund 50 Jahren gehalten. Dieses milliardenschwere Hilfsprogramm lief bereits Ende März aus. Die Zinsen für Hypotheken mit 30 Jahren Laufzeit dürften bis Jahresende in Richtung sechs Prozent steigen, schätzt die Ratingagentur Moody's.
Aber steigende Zinsen sind gefährlich in einem Markt, in dem in Kürze das Angebot an leerstehenden Häusern stark zunehmen könnte: In diesem Jahr drohen in den USA mehr als drei Millionen Zwangsversteigerungen. So viele gab es noch nie, und die Zahl könnte noch weiter klettern: Ein ungelöstes Problem seien die bis zu vier Millionen US-Hausbesitzer, denen eine Versteigerung drohe, warnte Lawrence Fink, Chef der Asset-Management-Firma Black Rock.
Die Zutaten für einen neuen Sturm am US-Häusermarkt sind damit beisammen. Sieben Prozent aller Hausbesitzer sind mit ihren Zahlungsverpflichtungen derzeit mehr als 60 Tage im Rückstand. Bei einer Arbeitslosenquote von knapp zehn Prozent - die Rezession hat die USA bislang 8,4 Millionen Jobs gekostet - gerät nun auch die amerikanische Mittelschicht immer stärker in Zahlungsschwierigkeiten. Deshalb denken viele US-Bürger bereits darüber nach, ihr Haus aufzugeben, selbst wenn sie nicht in akuten Zahlungsschwierigkeiten sind.
US-Regierung greift zu unkonventionellen Maßnahmen
Bei jedem vierten Hypothekenschuldner ist der Wert des Hauses sogar unter den Wert des ausstehenden Darlehens gerutscht. Mit anderen Worten: Würden sie ihr Eigenheim verkaufen, könnten sie damit nicht ihre Schulden bedienen. Viele Besitzer entscheiden sich trotzdem für einen strategischen "Exit" per Zwangsversteigerung. Die fällige Abstufung ihrer persönlichen Kreditwürdigkeit nehmen die Schuldner in Kauf.
Ihr Kalkül: Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende. Denn sonst würden sie wohl weiter Geld für ein Haus abbezahlen, dessen Preis sich auf Jahre nicht erholen dürfte. Kämen aber drei bis vier Millionen Eigenheime per Zwangsversteigerung tatsächlich auf den Markt, würden das entstehende Überangebot die Preise erneut drücken. Damit geriete die Abwärtsspirale wieder in Gang.
Die US-Regierung greift angesichts dieser Gefahr zu unkonventionellen Maßnahmen. "HAFA" heißt das Notprogramm, es steht für "Home Affordable Foreclosure Alternatives". US-Präsident Obama will zudem rund 50 Milliarden Dollar aus dem TARP-Fonds zur Bankenrettung entnehmen, um verschuldete US-Bürger zu entlasten und um Zwangsversteigerungen zu verhindern.
"Short Sales" haben viele Vorteile
Verliert ein Hausbesitzer zum Beispiel seinen Job, sollen seine Raten für bis zu sechs Monate gestundet werden. Gläubiger können außerdem mit staatlichen Bürgschaften sowie Zuschüssen rechnen, wenn sie einem teilweisen Schuldenerlass zustimmen. Das bereits angelaufene Prämienprogramm für Gläubiger, die ihre monatlichen Forderungen reduzieren, hatte bislang noch nicht zum erhofften Erfolg geführt.
Nun setzt die US-Regierung verstärkt auf "Short Sales" am US-Häusermarkt. Grundprinzip des neuen Hoffnungsträgers ist ein Weiterverkauf zu einem reduzierten Preis. Der Gläubiger erlaubt dem Schuldner, das Haus zu verkaufen - und zwar zu einem Preis, der unter der geschuldeten Summe liegt. Nach Angaben des Branchendienstes Campbell ging bereits im Februar beinahe jeder fünfte Hausverkauf auf einen solchen "Short Sale" zurück.
Die Vorteile für die Gläubiger: Sie verlieren im Durchschnitt weniger Geld als bei einer Zwangsversteigerung und haben den faulen Hypothekenkredit rasch aus ihren Büchern. Der Schuldner gewinnt wieder finanziellen Spielraum - und verliert in seinem mit der deutschen Schufa vergleichbaren "Fico-Score" weniger Bonitätspunkte als bei einer Zwangsversteigerung.
Auch die US-Regierung hat lebhaftes Interesse an diesem einvernehmlichen Weiterverkauf: Die Zahl der faulen Hypothekenkredite sinkt, da Schuldner in Zahlungsverzug durch neue Käufer mit besserer finanzieller Ausstattung ersetzt werden. Da Zwangsversteigerungen durch gelungene "Short Sales" verhindert werden, bleibt dem Markt zusätzlicher Druck erspart. Washington fördert die "Short Sales" ab dem 5. April mit erhöhten staatlichen Prämien für alle Beteiligten - unter der Bedingung, dass die Verkäufe rasch über die Bühne gehen.
Unbegrenzte Garantien für Fannie Mae und Freddie Mac
Die staatlichen Prämien zur Förderung der "Short Sales" dürften dabei kaum ins Gewicht fallen - verglichen mit den vielen Milliarden Dollar, die der Staat bereits zur Rettung der inzwischen verstaatlichten Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac ausgegeben hat.
Fannie und Freddie stehen landesweit hinter jedem zweiten Immobilienkredit in den USA. 2009 wies Fannie Mae einen Verlust von 75 Milliarden Dollar aus, da immer mehr Menschen ihre Kredite nicht mehr tilgen können. Zudem hat das Institut zahlreichen Banken notleidende Hypotheken abgekauft und hohe Abschreibungen darauf vorgenommen.
Die US-Regierung hat Fannie Mae und Freddie Mac inzwischen bis zum Jahr 2012 Hilfen in unbegrenzter Höhe zugesagt. Der Staat steht also bis dahin voll für Verluste aus Hypotheken ein. Ein deutliches Signal, dass das Herzstück der US-Konjunkturerholung noch immer unter Herzflimmern leidet - und Robert Shiller gute Gründe hat, beunruhigt zu sein.