Zuwanderungsdebatte Merkel lässt Brüderle abblitzen

Kanzlerin Merkel: Dämpfer für den Wirtschaftsminister
Foto: Berthold Stadler/ APNHamburg - Klare Absage von der Kanzlerin: Angela Merkel lehnt eine rasche gesetzliche Neuregelung des Zuzugs hochqualifizierter Ausländer ab, teilte Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans am Montag in Berlin mit. Eine Novellierung erscheine derzeit nicht erforderlich.
Im Klartext: Die CDU-Chefin lehnt die Pläne von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle ab, ausländischen Fachkräften durch neue Regelungen den Zuzug nach Deutschland zu erleichtern.
Weil jetzt im Aufschwung immer mehr Betriebe über klagen, hatte der FDP-Politiker mehr Zuwanderung gefordert. Unter anderem schlug er eine Art Begrüßungsgeld vor, um ausländische Experten nach Deutschland zu locken - und löste damit eine heftige Debatte aus.
Merkel ließ dem Wirtschaftsminister über ihren Sprecher ausrichten, erst einmal solle an der Umsetzung vorhandener Richtlinien gearbeitet werden. 2009 war das sogenannte Arbeitsmigrationssteuerungsgesetz in Kraft getreten - dieses entfalte "eine positive Wirkung", sagte der Sprecher. Das Gesetz sieht vor, Hochqualifizierten schon ab 63.600 Euro Einkommen eine Niederlassungserlaubnis zu geben statt erst ab 86.400 Euro.
BA-Chef Weise sieht zuerst die Unternehmen in der Pflicht
Vor Merkel hatte schon der Chef der (BA) Brüderles Vorschläge abgelehnt. Der Fachkräftemangel in Deutschland solle aus seiner Sicht nicht mit der Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften bekämpft werden, sagte der "Financial Times Deutschland". Statt um Zuwanderer zu werben, sollten Betriebe attraktive Angebote für hiesige Arbeitskräfte entwickeln: "Das vorhandene Potential im Land sollte erst einmal genutzt werden. Wir können nicht zulassen, dass Menschen in Arbeitslosigkeit sind, nur weil ihre Talente nicht genutzt werden." Für ihn wäre die Anwerbung von Fachkräften erst der zweite Schritt. Vor allem Mängel in der Kinderbetreuung sollten behoben werden, denn sie hinderten qualifizierte Frauen am Arbeiten.
Skeptisch äußerten sich auch Politiker der CSU. Parteichef nannte ein Begrüßungsgeld nicht den richtigen Weg, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Er würde in der "richtigen Reihenfolge vorgehen" und zunächst das Arbeitskräftepotential im Land ausnutzen, sagte der bayerische Ministerpräsident der ARD. Bayern stehe in einem "weltoffenen Verhältnis" zur Zuwanderung - "wir haben nur entschieden etwas dagegen, dass man aufgrund unserer Sozialsysteme dann die Bundesrepublik Deutschland zum Sozialamt für die ganze Welt macht." Er verwies darauf, dass in Deutschland noch mehr als drei Millionen Menschen arbeitslos seien.
Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann lehnt Brüderles Vorstoß ab. Nach dem geltenden Recht könne schon heute jede Firma Mitarbeiter aus dem Ausland einstellen, wenn entsprechend qualifizierte Bewerber im Inland nicht zu finden seien, sagte der CSU-Politiker. Das sei der richtige Ansatz.
Arbeitgeberpräsident unterstützt Zuzug von Fachkräften
Unterstützung erhält Brüderle dagegen von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Deutschland sei auf die Kompetenzen qualifizierter Zuwanderer angewiesen, sagte er. "Eine Zuwanderungspolitik, die sich am Bedarf des Arbeitsmarktes orientiert, führt zu mehr wirtschaftlicher Dynamik und damit auch mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Einheimische." Hundt sprach sich für ein Punktesystem aus, mit dem Zuwanderer nach persönlichen Qualifikationen wie Ausbildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnissen ins Land kommen könnten.