Zwangsabgabe für Reiche Naiv und gefährlich

Nehmt den Reichen zehn Prozent ihres Vermögens weg - und die Schuldenkrise ist gelöst. Dieser Vorschlag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung klingt bestechend, doch er ist Unfug. Wer mehr Geld von den Reichen will, der sollte sie höhere Steuern zahlen lassen.
Wohlstand, zur Schau gestellt: Geht es jetzt den Reichen ans Collier?

Wohlstand, zur Schau gestellt: Geht es jetzt den Reichen ans Collier?

Foto: Jens Kalaene/ picture alliance / dpa

Hamburg - Das passt ja mal wieder prima zusammen! Die Wissenschaftler vom renommierten Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) wollen reiche Deutsche mit einer einmaligen Zwangsabgabe zur Kasse bitten. Und gleichsam als Beleg für die Thesen der Wirtschaftswissenschaftler rücken Steuerfahnder zu den wohlhabenden deutschen Kunden der Credit Suisse aus, die offenbar massenhaft Schwarzgeld in trickreichen Finanzkonstrukten versteckt haben. Zeigt das nicht, dass es in Deutschland mehr als genug Geld gibt - und es nur leider den Falschen gehört? Dass eine kleine, egoistische Vermögenselite mit ihren Millionen im Grunde nichts Besseres anzufangen weiß, als sie in Dagobert-Duck-Manier zu horten - während es in Deutschlands Schulen hineinregnet?

Die da oben merken doch noch nicht einmal, wenn wir ihnen zehn Prozent des Geldes wegnehmen - und allen anderen hilft es. Oder?

Die Argumentation klingt wunderbar simpel und eingängig. Und gerade deshalb handelt es sich beim Vorschlag des DIW um das Naivste und Gefährlichste, was deutsche Wirtschaftswissenschaftler seit langem zu Papier gebracht haben.

Naiv, weil der Vorschlag suggeriert, wir hätten in Deutschland eine Haushaltskrise. Eine Sondersituation, die besondere Maßnahmen rechtfertigt - wie zum Beispiel eine Teilenteignung von reichen Bürgern. Das ist ein Trugschluss. Wir haben in Deutschland vielmehr einen Staat, der seit Jahrzehnten mehr Geld ausgibt als er einnimmt und so den Schuldenstand relativ kontinuierlich auf die heutigen rund 80 Prozent der Wirtschaftaftsleistung ansteigen ließ. Anders als vom DIW suggeriert, ist nur ein kleiner Teil dieser Schulden durch die Kosten der Bankenrettung und der Rezession von 2009 entstanden.

In den meisten anderen Euro-Staaten sieht es ähnlich aus: Die Schulden steigen mal langsamer, mal schneller, aber sie steigen unaufhörlich. Der Grund ist simpel. Den meisten Politikern fehlt der Mut, zwischen zwei unpopulären Maßnahmen zu wählen: die Steuern zu erhöhen oder die Ausgaben zu kürzen. Ob die neuerdings im Fiskalpakt festgelegte Schuldenbremse daran wirklich etwas ändert - mal abwarten.

Noch nicht einmal im Jahr 2011, bei brummender Konjunktur, Zinsen nahe dem Nullpunkt und Steuereinnahmen auf Rekordniveau, gelang es Finanzminister Wolfgang Schäuble, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Man braucht schon eine Menge Blauäugigkeit, um zu glauben, dass sich das nach einer Zwangsabgabe für Reiche grundlegend ändern würde. Sehr viel wahrscheinlicher ist folgendes Szenario: Der Schuldenstand würde vorübergehend sinken - und dann schleichend wieder auf das alte Niveau steigen. In 20 Jahren reden wir dann über die nächste Zwangsabgabe. Allerdings werden sich alle reichen Deutschen, die noch ganz bei Trost sind, bis dahin längst ins Ausland abgesetzt haben. Zumal sich das im DIW-Vorschlag enthaltene Versprechen, die Abgabe könnte "je nach Konsolidierungsfortschritt" ganz oder teilweise zurückgezahlt werden, als Illusion erweisen dürfte.

So viel zur Naivität. Gefährlich ist der Vorschlag des DIW, weil er einen Präzedenzfall schafft: Eine willkürlich festgelegte Bevölkerungsgruppe wird per Überraschungscoup enteignet, um einem vermeintlich höheren Gemeinwohl zu dienen. Betroffen wären jene acht Prozent der Deutschen, die ein Vermögen von mehr als 250.000 Euro besitzen - darunter nahezu jeder Einfamilienhausbesitzer in einer Großstadt. Mit etwas Phantasie kann man sich jetzt schon ausmalen, wer dann in 20 Jahren beim nächsten Überraschungscoup enteignet würde.

Tatsächlich gibt es gute Argumente dafür, die Besitzer großer Vermögen in Deutschland stärker als bisher zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen. Aber es gibt dafür eben auch ein etabliertes Instrument. Man nennt es Steuern.

  • Höchste Zeit wäre es zum Beispiel, dass der Staat endlich die Schlupflöcher bei der Erbschaftsteuer schließt. Mit ein bisschen Geschick lassen sich derzeit nämlich Vermögen in beliebiger Höhe in Form sogenannter Cash-GmbHs ebenso steuerfrei wie legal an die nächste Generation übertragen.
  • Auch die Kapitalertragsteuer begünstigt Reiche: Sie beziehen in der Regel einen Großteil ihres Einkommens aus Zinsen und Dividenden, die sie lediglich pauschal mit 25 Prozent versteuern müssen.
  • Mit einer höheren Grundsteuer auf wertvolle Immobilien ließen sich gezielt Reiche treffen - zumal sich eine Villa nicht so einfach vom Starnberger an den Genfer See verlegen lässt wie ein Bankkonto.
  • Bei der immer weiter ausgeweiteten steuerlichen Begünstigung von gemeinnützigen Stiftungen könnte man einiges zurückdrehen. Vielen Reichen dienen diese Stiftungen inzwischen dazu, steuerbegünstigt ihren Hobbys zu frönen.

Über Jahre hat die Politik die Besitzer großer Vermögen steuerlich zu billig davonkommen lassen - immer auch aus der Furcht, das scheue Reh namens Großkapital könnte sich ins Ausland absetzen. Eine Sorge, die von den Reichen selbst kräftig genährt wurde, die Experten aber für ziemlich übertrieben halten: Die meisten deutschen Reichen sind bislang ziemlich heimatverbunden. Sollte es in Deutschland tatsächlich zu einer Zwangsabgabe kommen, dürfte sich das aber schlagartig ändern.

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