Wütende Bankkunden in Zypern "Sie haben uns betrogen"

Wütend reagieren die Zyprer auf die Zwangsabgabe für Kontoinhaber. Sie fühlen sich von der Politik getäuscht. Die Regierung fürchtet einen panischen Ansturm auf die Konten und erwägt, die Institute noch einige Tage geschlossen zu halten.
Schlange vor einer Bank in Larnaka: "Das ist eine Katastrophe"

Schlange vor einer Bank in Larnaka: "Das ist eine Katastrophe"

Foto: AP/ dpa

Nikosia - Es ist ein bisher einmaliger Vorgang im Kampf gegen die Euro-Krise: Sämtliche Kunden zyprischer Banken müssen eine Sonderabgabe leisten. "Wir bestrafen Zypern nicht", hatte Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem versichert, nachdem sich die EU-Finanzminister am Samstagmorgen auf das Rettungspaket mit dieser Klausel geeinigt hatten. Doch viele Menschen in dem Land haben genau das Gefühl: "Sie bestrafen uns einfache Zyprer", zitiert die Agentur dpa einen Ingenieur in der Hauptstadt Nikosia.

Bürger versuchten am Samstag und Sonntag, ihr Geld abzuheben. Viele wollten schon kurz nach Bekanntwerden der Beschlüsse ihr Konto leerräumen. Kurzzeitig kam es zu einem Ansturm auf einige wenige Genossenschaftsbanken, die geöffnet hatten. Doch die Kunden mussten sich in den wenigen überhaupt geöffneten Banken des Landes erklären lassen, dass das elektronische Zahlungssystem quasi stillstehe. An den Geldautomaten war das Abheben nur bis zum Tageslimit möglich.

Die Empörung der Menschen ist groß. "Das ist eine Katastrophe", sagt ein 45-jähriger Zyprer. Er wollte seine Ersparnisse abheben - allerdings zu spät. "Ich fühle mich wie alle anderen: Genervt und wütend", sagt ein anderer Mann in Nikosia der BBC . "Für uns ist das eine wirklich schwierige Situation."

Die meisten fühlen sich getäuscht, nachdem die zyprische Regierung noch am Freitag versichert hatte, dass die Bankguthaben nicht angetastet würden. "Wir arbeiten, legen etwas zurück, und jetzt nehmen sie unser Geld. Das ist ungerecht, sehr ungerecht", so eine Frau im staatlichen Fernsehen RIK. "Sie haben uns betrogen", empörte sich ein Taxifahrer in der "Financial Times". Vor dem Präsidentenpalast in Nikosia gab es am Samstagabend eine ersten Kundgebung.

Auch die Kommentare in den Zeitungen waren verheerend. "Zypern wurde geschlachtet", titelte am Sonntag das Blatt "Charavgi". "Horrorszenarien für die Wirtschaft", hieß es in der Zeitung "Fileleftheros". Die Wochenzeitung "Machi" sah in ihrer Schlagzeile eine "Solidaritäts-Guillotine" über die Bankkunden niedersausen und die "Simerini" titelte: "Ungeordneter Rückzug angesichts des ungeordneten Bankrotts."

Wie jetzt bekannt wurde, hat die Zentralbank Zyperns das gesamte Bankensystem quasi lahmgelegt, um einem massenhaften Ansturm auf die Konten zuvorzukommen. Über ein entsprechendes Schreiben von Zentralbankchef Panicos Demetriades berichteten am Sonntag griechischsprachige Medien. Demetriades verbietet demnach darin "vorläufig und bis auf weiteres" sämtliche Transaktionen wie Auszahlungen oder Überweisungen innerhalb und außerhalb Zyperns, sogar innerhalb derselben Bank.

Reiche Russen in Panik

Die EU-Einigung sieht vor, dass Zypern Finanzhilfen von bis zu zehn Milliarden Euro gewährt bekommt. Ausnahmslos alle Bankeinlagen sollen im Gegenzug mit einer Sonderabgabe von 6,75 bis 9,9 Prozent belastet werden. Bei reichen russischen Geschäftsleuten habe dies Panik ausgelöst, schrieb "Forbes". Schätzungsweise ein Drittel der Einlagen bei Banken auf Zypern besitzen Ausländer, unter ihnen viele reiche Russen und Briten.

Die zyprischen Banken bleiben am Montag wegen eines Feiertages geschlossen. Die Regierung in Nikosia prüft nun, die Finanzinstitute der Insel auch noch am Dienstag geschlossen zu halten, damit die Sparer nicht in Panik ihre Konten leerräumen. Dies berichtete der zyprische staatliche Rundfunk nach dem Ende einer Kabinettssitzung in Nikosia am Sonntagmorgen.

Die Zustimmung der Abgeordneten zu der umstrittenen Sonderabgabe steht aber noch aus. Der konservative Präsident Nikos Anastasiades kann sich nur auf eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus stützen. Unsicher ist, ob die Abgeordneten der Partei DIKO, mit der Anastasiades koaliert, für das Gesetz stimmen.

Zyperns Finanzminister Michalis Sarris versuchte nicht erst, die Situation zu beschönigen: "Wir gehen auf harte Zeiten zu, und die Gürtel werden enger geschnallt."

kgp/dpa/AFP
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