Verdächtige Geldabflüsse Zyperns Parlament jagt die Kapitalflüchtlinge

Aus Zyperns Krisenbanken ist offenbar viel Geld abgeflossen, obwohl die Konten gesperrt sein sollten. Das Parlament stellt nun eigene Nachforschungen an - weil es dem Notenbankchef nicht mehr traut. Die Rücktrittsforderungen gegen Panicos Demetriades werden immer lauter.
Proteste vor der Bank of Cyprus: Verdächtige Kapitalabflüsse

Proteste vor der Bank of Cyprus: Verdächtige Kapitalabflüsse

Foto: Yiannis Kourtoglou/ AFP

Abgekämpft sah Panicos Demetriades aus, als er am späten Dienstagnachmittag im vierten Stock der zyprischen Zentralbank die Pressekonferenz eröffnete. Gut anderthalb Stunden zog sich das Frage-und-Antwort-Spiel hin. Finanzminister Michalis Sarris gab dem Notenbankchef Schützenhilfe. Draußen vor dem Fenster versanken die Berge im Nebel, und drinnen wurden die Journalisten immer unruhiger. Am Ende fragten sich viele, warum Demetriades sie überhaupt eingeladen hatte - wo er doch so gut wie nichts Neues zu erzählen hatte.

Manche deuteten die Pressekonferenz als symbolischen Akt. Zyperns Notenbankchef habe Stärke demonstrieren wollen. Denn zuletzt geriet er massiv unter Druck. Erst hatte er - ohne Absprache mit der Regierung - verkündet, dass Zyperns kleine Banken am Dienstag wieder öffnen sollten, im Gegensatz zu den großen Instituten Laiki-Bank und Bank of Cyprus. Das verursachte massive Proteste der kleinen Institute. Am Ende blieben alle Banken geschlossen. Neuer Eröffnungstermin ist - bisher - Donnerstag. Dann droht ein Ansturm der wütenden Kundschaft.

Am Montag hatte die Zentralbank zudem angekündigt, sie werde den Finanzmanager Dinos Christofides als Sonderberater bei der Bank of Cyprus einsetzen. Das Institut soll Altlasten übernehmen - von der Laiki-Bank, die bald abgewickelt wird. Der Einsatz von Christofides, so legitim er ist, hatte Ängste geschürt, dass auch die Bank of Cyprus vor der Zerschlagung steht. Demetriades wurde vorgeworfen, er habe die Änderungen nicht klar genug eingeordnet. Und damit die Sorgen der Anleger noch verstärkt.

Machtlos gegen die Kapitalflucht?

Vor allem aber gerät der Zentralbankchef wegen verdächtiger Kapitalabflüsse aus den Krisenbanken in die Kritik. Die Zeichen mehren sich, dass vor dem Beschluss des ersten Rettungspakets in den frühen Morgenstunden des 16. März große Mengen Kapital aus der Laiki-Bank und der Bank of Cyprus abgeflossen sind. Ende Januar hatten sich auf den Konten der zwei größten Banken des Landes noch mehr als 40 Prozent aller Ersparnisse zyprischer Anleger befunden. Dann ist offenbar viel Geld abgeflossen - selbst nachdem die Konten der Anleger auf Geheiß der Zentralbank weitgehend eingefroren worden waren.

Inzwischen werfen viele der Notenbank vor, sie habe die Kapitalverkehrskontrollen zu lasch gestaltet. So waren nicht nur Überweisungen für humanitäre Hilfe weiterhin erlaubt, was durchaus sinnvoll und üblich ist - aber eben auch anfällig für Missbrauch. Wütend machte viele, dass die Notenbank auch nicht näher definierte "besondere Zahlungen" erlaubte.

Zyperns Zentralbank rechtfertigte sich, man habe die Geldabflüsse zur Zeit der Kontensperre gar nicht komplett verhindern können. Das Geld sei teils im Ausland abgehoben worden - wogegen man machtlos sei. Denn die Filialen zyprischer Banken in Nicht-Euro-Ländern wie Russland und Großbritannien unterliegen nicht der EZB. Ihre Liquidität werde von den dortigen Notenbanken kontrolliert.

Das kommt einem unfreiwilligen Geständnis gleich. Kleinanleger kommen seit fast zwei Wochen nur noch eingeschränkt an ihr Geld, Unternehmer können ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen, in ganz Zypern wächst die Angst, dass wegen der Bankenblockade zum Monatsersten die Gehälter nicht ausgezahlt werden - gleichzeitig dürfen reiche Geschäftsleute und andere Privilegierte mit Verbindungen ins Ausland ihr Geld weiter retten?

Das Parlament jedenfalls ist argwöhnisch geworden. Es habe von der Zentralbank gefordert, die Namen der Kunden zusammenzutragen, die vor Schließung der Banken große Summen Geld abgehoben haben, wie ein Insider SPIEGEL ONLINE bestätigte. Dabei solle auch geprüft werden, ob auch Notenbanker oder Mitarbeiter der Regierung - die möglicherweise vorgewarnt waren - ihr Geld noch rasch in Sicherheit gebracht haben.

Vertrauen verspielt

Laut dem griechischen TV-Sender Mega Channel befindet sich die Liste bereits in den Händen des zyprischen Parlamentspräsidenten Yiannakis Omirou. Im Parlament und in der Notenbank war zunächst niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Nachforschungen der Parlamentarier zeigen, wie groß das Misstrauen der Volksvertreter gegenüber der Regierung ist - und wie sehr an der Kompetenz von Panicos Demetriades gezweifelt wird.

Der rang sich gegen Ende der Pressekonferenz dann doch noch einige Neuigkeiten ab. Kleinanleger müssen seinen Worten zufolge damit rechnen, dass die Dienste der Banken noch eine Weile eingeschränkt sind. Anleger, die mehr als 100.000 Euro bei der Bank of Cypurs haben, dürften "rund 40 Prozent" ihrer Einlagen verlieren; an der genauen Summe arbeite man aber noch. Die Banken sollen wie gehabt am Donnerstag öffnen. Auch wenn es dabei noch einen minimalen Rest an Unsicherheit gibt. Und Zypern drohe nun zwar eine Rezession, jedoch sei er überzeugt, dass die Wirtschaft sich bald wieder fangen werde. Dabei appellierte Demetriades an den Unternehmergeist der Menschen.

Nichts davon muss stimmen. Bankkunden könnten noch weit länger leiden. Anleger mit mehr als 100.000 Euro könnten nach Einschätzungen von Finanzexperten am Ende bis zu 90 Prozent ihrer Einlagen verlieren. Laut dem griechischen TV-Sender skai sollen Zyperns Banken erst am 1. April wieder öffnen. Und Ökonomen prophezeien dem Inselstaat eher eine schwere Rezession wie in Griechenland - mit hoher Arbeitslosigkeit.

Was bleibt, ist ein Notenbankchef, der viel Vertrauen verspielt hat. Der nach eigenen Angaben nicht zurücktreten will. Und der unkündbar ist. Seine Position ist durch die Verfassung besonders geschützt. Präsident Nikos Anastasiades scheint dennoch genug von ihm zu haben. Nach Angaben des zyprischen Staatsfernsehens soll er sich erkundigt haben, ob es nicht doch einen Rechtsweg gibt, Demetriades zu feuern.

Mitarbeit: Georgios Christidis

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