SPIEGEL-Analyse zur Banken-Krise Milliarden für die eiserne Reserve

Der Kollaps der deutschen Kreditwirtschaft konnte vorerst verhindert werden. Doch die Frage bleibt: Wie steht es um Deutschlands Banken und Sparkassen - wie sicher ist das Geld der Sparer?
Von Christoph Pauly und Wolfgang Reuter

In Deutschland hat die Rettung der HRE erst einmal das Schlimmste verhindert: die Kernschmelze des deutschen Finanzmarkts. Auch direkt hätte eine HRE-Pleite schwere Schäden angerichtet, zum Beispiel bei der Bayerischen Landesbank. Das öffentlich-rechtliche Institut aus München hat enge Geschäftsbeziehungen mit der HRE und hält dort offene Positionen in Höhe von über einer Milliarde Euro.

Skyline von Frankfurt am Main: Das Schlimmste verhindert

Skyline von Frankfurt am Main: Das Schlimmste verhindert

Foto: DPA

Schon bei der Pleite von Lehman gehörte die BayernLB mit Außenständen von mindestens 300 Millionen Euro zu den Betroffenen. Sie ist fast immer dabei, wenn etwas richtig schiefgeht. Die Abschreibungen summieren sich seit Ausbruch der Krise auf fast fünf Milliarden Euro.

Ausgerechnet die Landesbanken sind derzeit das größte Problem des deutschen Finanzplatzes, allein durch die Lehman-Pleite drohen Ausfälle von 1,7 Milliarden Euro. Und dazu kommen die Sorgen um die Finanzierung, seit der Geldmarkt ausgetrocknet ist.

Die Landesbank Baden-Württemberg muss bis Dezember 2009 Forderungen kurzfristiger Geldgeber in Höhe von rund hundert Milliarden Euro refinanzieren – zum Vergleich: Bei der Hypo Real Estate sind es gerade mal 35 Milliarden Euro.

Dazu kommen 10 Milliarden Euro bei der konzerneigenen Landesbank Rheinland Pfalz und weitere 3,5 Milliarden Euro bei der von den Schwaben übernommenen Sachsen LB.

Auch die Bayerische Landesbank hat 43 Milliarden Euro in den Büchern, die bis Ende 2009 fällig werden – und für die das Institut neue Geldgeber finden muss. Bei der Nord/LB sind es 42 Milliarden Euro und bei der WestLB wie auch der Eurohypo immerhin noch jeweils rund 30 Milliarden Euro.

Die Sparkassen stehen noch vergleichsweise sicher da. Sie sind bei ihrer Finanzierung kaum auf den unsteten internationalen Kapitalmarkt angewiesen, solange die Kunden ihnen brav die Spareinlagen vorbeibringen. Doch sie sind immer weniger gewillt, dieses wertvolle Kapital unsicheren Kantonisten wie der WestLB und der BayernLB zu überlassen.

Weil die WestLB immer größere Finanzierungsprobleme hat, bereiten die Sparkassenfürsten die Zerschlagung der Bank vor. Noch wehrt sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

Doch die Sparkassen als Miteigentümer wollen die Krise nutzen.

Das Kapitalmarktgeschäft der WestLB soll bei der vergleichsweise stabilen Deka landen, das Firmenkundengeschäft interessiert die LBBW, das Sparkassengeschäft soll die Nord/LB übernehmen. "Da wird eine 'bad bank' mit allen Problempapieren übrig bleiben, die keiner haben will", unkt einer der Verhandlungspartner.

Das Misstrauen ist allgegenwärtig. Seit der Bankpleite von Lehman führt jeder Risikovorstand einer Bank eine Liste von Kreditinstituten, mit denen Geschäfte nur noch in Ausnahmefällen gestattet sind.

Auf dieser Liste steht auch die Eurohypo, seit Ende 2005 im Besitz der Commerzbank.

Das Geschäftsmodell des größten Immobilienfinanzierers Europas gleicht dem der HRE, der Börsenkurs der Commerzbank brach deshalb in der vergangenen Woche an einem Tag über 24 Prozent ein.

Jede Bank, auch die zweitgrößte Deutschlands, ist in solch turbulenten Zeiten angreifbar. Gerüchte genügen – und schon ziehen Anleger massiv Geld ab. Gleichzeitig werden in den nächsten Wochen bei der Commerzbank kurzfristige Anleihen in Höhe von acht Milliarden fällig. "Dieser Markt ist zurzeit mausetot", sagt ein Geldhändler.

Die Commerzbank verweist darauf, dass sie, anders als die Hypo Real Estate, nur kurzfristig fällige Verbindlichkeiten mit kurzfristigem Geld finanziert hat.

Außerdem verfügt sie mittlerweile nach eigenen Angaben über 88 Milliarden Euro an Kundeneinlagen. Zudem hortet die Commerzbank Geld auf den Konten der EZB, der Schweizer Nationalbank und bei der amerikanischen Zentralbank. "Wir haben innerhalb von zwei Minuten Zugriff auf einen zweistelligen Milliardenbetrag", sagt ein hochrangiger Manager der Bank.

Seit Beginn der Krise wurden zusätzlich etliche Milliarden Euro in die eiserne Reserve eingestellt.

Solche Vorsichtsmaßnahmen sind angebracht, seit der Geldmarkt ausgetrocknet ist. Zudem muss sich die Commerzbank auf neue Abschreibungen von vielen hundert Millionen Euro für das abgelaufene Quartal vorbereiten, die möglicherweise auch die Eigenkapitalbasis schwächen. Die Krise frisst sich weiter in die Bankbilanzen hinein, weil die Preise für viele Vermögenswerte in den freien Fall übergegangen sind.

Die Commerzbank muss auch noch die Übernahme der kriselnden Dresdner Bank verdauen, die immer noch riskante Anlagen mit einem Volumen von knapp 20 Milliarden Euro in der Bilanz hat. Diese sind wegen der Turbulenzen nur mit hohen Abschlägen verkäuflich und müssten eigentlich radikal abgewertet werden.

Doch wie steht es um die Deutsche Bank, Deutschlands einziges Geldhaus mit globaler Bedeutung? Auf den ersten Blick ganz gut: Die Bank hat das Geschäft mit Privatkunden massiv ausgebaut und von denen mittlerweile 137 Milliarden Euro stabiles Geld in den Büchern. Im Vorgriff auf die Krise besorgte sie sich innerhalb eines Jahres insgesamt 74 Milliarden Euro mehr langfristig verfügbares Kapital.

Gleichzeitig aber ist Deutschlands größte Bank wie kaum ein anderes deutsches Kreditinstitut vom Kapitalmarkt abhängig.

Sie schleppte zum 30. Juni unbesicherte Finanzierungen von 516 Milliarden Euro mit sich herum. Vieles davon ist langfristig zugesagt. Aber darunter waren auch noch 84 Milliarden Euro kurzfristige Papiere in den Büchern, die zum Teil aktuell kaum refinanziert werden können.

Die Deutsche Bank gilt dank vielfältiger Finanzierungsquellen immer noch als äußerst solide, lebt aber auch ein Stück weit vom Ruf des deutschen Finanzsystems.

Die Pleite der HRE hätte auch sie massiv getroffen. Zudem muss Josef Ackermann demnächst richtig schlechte Zahlen für das dritte Quartal verkünden. Die Analysten von JP Morgan rechnen mit weiteren Abschreibungen von 4,5 Milliarden Euro im zweiten Halbjahr.

Einzig bei den Anleihen, die auf den Häuserkrediten für schlechte Schuldner in den USA basieren, hofft die Deutsche Bank auf ein großes Geschäft. Während die meisten anderen Kreditinstitute diese Papiere verkaufen mussten, stieg die Deutsche Bank massiv ein. Sie kaufte zusammen mit Partnern Kreditpakete für zehn Milliarden Dollar auf, die vor zwei Jahren teilweise bis zum Zehnfachen wert waren.

Nun setzt das Kreditinstitut darauf, diese Anleihen der amerikanischen Regierung für mindestens das Zwei- oder Dreifache ihres Einstiegspreises verkaufen zu können.

Sie hätte ihren Einsatz innerhalb kurzer Zeit mehr als verdoppelt.

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