BUNDESBANK Spiel und Gegenspiel
Belesen ist er, und er weiß, was ihn erwartet.
Wilfried Guth, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Chefaufseher bei Daimler-Benz, zitierte Ende Januar voller Vorahnung aus Leo Tolstois »Krieg und Frieden«, als er zum 65. Geburtstag des Mercedes-Vorstands Joachim Zahn sprach: »Der Oberkommandierende steht im Mittelpunkt eines höchst verwickelten Spieles und Gegenspieles von Intrigen, Sorgen, Zwang, Freiheit, Plänen, Ratschlägen, Drohungen, Irrtümern.«
Um ein verwickeltes Spiel erst mal zu beenden, fiel im Bonner Kanzleramt zur gleichen Zeit die Entscheidung, Wilfried Guth zum Oberkommandierenden in der deutschen Geldpolitik zu ernennen. Der Top-Banker aus Frankfurt soll nach dem Willen des Kanzlers vom nächsten Jahr an Präsident der Deutschen Bundesbank werden.
Der Prestige-Posten an der Spitze der Notenbank war Guth schon vor zwei Jahren angetragen worden, als Karl Klasen, vorher ebenfalls Deutsch-Bankier, in den Ruhestand abwanderte.
Doch damals hatte der gewandte Guth, der schon in den fünfziger Jahren als Hauptabteilungsleiter für Volkswirtschaft bei der Bundesbank Karriere gemacht hatte, abgewinkt: Ein solcher Wechsel sei für ihn, den Mann des Jahrgangs 1919, zu früh; der Kanzler möge doch später noch mal vorsprechen.
Aus Mangel an Konkurrenz rückte daraufhin der sieben Jahre ältere Klasen-Vize Otmar Emminger zum ersten Mann der Zentralbank auf. Allerdings gaben die Bonner dem Oldtimer nur einen Vertrag für zwei Jahre.
Für den altgedienten Bundesbanker war der Zweijahresvertrag dennoch ein bombiger Abschluß seiner Karriere. Denn der Posten ist nicht nur die (mit 370 000 Mark Jahresgehalt) bestdotierte Beamtenstelle in der Republik; er bietet auch ein Höchstmaß an Einfluß und Reputation.
Der oberste Währungshüter lenkt, zusammen mit dem Zentralbankrat, die Konjunktur und kann nicht selten, da er kraft Gesetzes völlig autonom agiert, über die Feinsteuerung der Geldmenge die offiziellen ökonomischen Leitlinien der Regierung konterkarieren -- wie jüngst mit dem überraschenden Signal, die Zinsen zu liften.
Gern wäre Emminger noch etwas länger im Bundesbank-Chefzimmer geblieben. Seit längerem sondierte er in Bonn, ob das Kabinett nicht doch noch seine Präsidialzeit auf die übliche Amtsdauer -- acht Jahre -- verlängern wolle.
Doch wenn er die erste Wahl hat, will Schmidt die zweite nicht nehmen. Und auch der dritte Mann im Personalspiel, der jetzige Vize und frühere Kanzlervertraute Karl Otto Pöhl, 49, behagte seinem einstigen Förderer nicht so recht: Der exzellente Währungsfachmann ist Schmidt, der Jüngeren oft mißtraut, zu grün.
So fiel das Kanzler-Votum auf den eher konservativen Guth, der nach dem Urteil eines Banken-Insiders »politisch voll auf der anderen Seite steht«. Schmidt schätzte den Banker dennoch schon lange als Diskussionspartner.
Der Bank-Manager, der umgekehrt nie etwas auf den Sozi im Kanzleramt kommen ließ ("die deutschen Banken haben immer versucht, eine vernünftige Politik zu unterstützen"), hat immer Bankpraxis und Finanzpolitik gemischt. Er schrieb ein Buch über Währungsprobleme, war Mitglied in der entwicklungspolitischen Kommission des kanadischen Friedens-Nobelpreisträgers Lester Pearson und arbeitete drei Jahre lang als deutscher Direktor beim Währungsfonds in Washington -- auch damals schon ein Nachfolger Emmingers.
Daß Guth nicht bereits 1970, statt Klasen, Bundesbankboß wurde, lag an einem Handikap, das ihm in Schmidts Überparteien-Sicht jetzt eher von Vorteil ist: Damals sperrten sich die Genossen gegen den Kandidaten, weil er ein Neffe des CDU-Altkanzlers Ludwig Erhard ist.
Sosehr ein Wechsel von der Deutschen Bank in die Bundesbank das Prestige mehrt -- für Guth ist er mit einem herben Verlust verbunden. Sein Jahressalär inklusive aller Aufsichtsratstantiemen würde, akzeptiert er jetzt Schmidts Angebot, um satte 700 000 Mark sinken.