Spitzel-Skandal Ver.di fordert Lidl-Mitarbeiter zu Schadenersatzklagen auf
Hamburg - Ver.di macht den Bespitzelten Mut, sich zu wehren: "Ich kann den betroffenen Lidl-Mitarbeitern raten, sich untereinander zu verabreden und gemeinsam zu Ver.di zu kommen. Möglicherweise könnte man dann Musterklagen gegen Lidl anstrengen", sagte de stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Margret Mönig-Raane zu "Stern.de". Gestern erklärte schon der Ver.di-Handelsexperte Achim Neumann im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, Bespitzelungsopfer zu unterstützen, wenn sie klagen wollen. Das Vorgehen des Konzerns sei "eine Schweinerei sondergleichen".
Laut "Stern" hat Lidl seine Mitarbeiter systematisch ausspioniert. Mit Miniaturkameras wurden die Angestellten überwacht, Gespräche in seitenlangen Protokollen notiert. Aufgezeichnet wurden Banalitäten ("Das Guthaben auf ihrem Handy beträgt nur noch 85 Cent.") ebenso wie Details aus dem Privatleben ("Ihr Freundeskreis besteht größtenteils aus Drogenabhängigen").
Aus Ver.di-Sicht stellen die Überwachungsprotokolle einen doppelten Rechtsbruch dar: Zum einen seien Datenschutzrechte verletzt worden. Zum anderen gehe es aber auch um einen Verstoß gegen die grundgesetzlich geschützte Würde des Menschen. "Hier wurde überwacht und bespitzelt wie in einem Unrechtsstaat", sagt Neumann. "Solche Unternehmen braucht das Land nicht."
Datenschützer sind über die Stasi-Methoden empört. In Baden-Württemberg, wo der Konzern seinen Sitz hat, leitet das Innenministerium nun eine offizielle Untersuchung ein.
Lidl steht wegen der Behandlung seiner Mitarbeiter schon länger in der Kritik. Jahrelang hat sich das Unternehmen etwa gegen die Einrichtung von Betriebsräten gestemmt. Im vergangenen Jahr schaffte Ver.di immerhin einen Achtungserfolg - die Gewerkschaft setzte in fünf von bundesweit 2850 Filialen eine Arbeitnehmervertretung durch.
In einem "Schwarzbuch Lidl" hat Ver.di 2004 zudem eine ganze Reihe von Vorwürfen gegen den Discounter aufgelistet. Das Unternehmen unterziehe Angestellte ständigen Taschenkontrollen, um Diebstahl auszuschließen, und verbiete den Gang zur Toilette während der Arbeitszeit, hieß es darin etwa. Lidl wies die Anschuldigungen damals als "Diffamierungskampagne" zurück.
Wesentlich zurückhaltender reagierte der Konzern am Mittwoch, als der Spionageskandal bekannt wurde. Jürgen Kisseberth, Mitglied der Lidl-Geschäftsführung, sagte zu dem Bericht über die Überwachungen: "Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass es dazu Aufträge gegeben hat." Dies sei aber nicht der Wille der Geschäftsleitung gewesen.
Laut Kisseberth hatte das Unternehmen zwei Detekteien engagiert. Diese hätten jedoch nur den Auftrag gehabt, Diebstähle von Kunden aufzudecken. Lidl werde die Zusammenarbeit mit externen Detekteien nun sofort beenden. "Es tut uns leid", sagte Kisseberth. "Wir können uns bei den betroffenen Mitarbeitern nur entschuldigen."
ase/ddp